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Ein tüchtiges Mädchen

Ein tüchtiges Mädchen

Titel: Ein tüchtiges Mädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berte Bratt
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Dorette bleiben. Ich will dir gestehen, ich werde vielleicht noch auf der ,Dorette’ landen.“
    „Als Kapitän?“
    „Ja. Der Reeder verhandelt nämlich wegen eines neuen Schiffes. Es befindet sich noch im Bau. Vermutlich wird dann der jetzige Kapitän der ,Dorette’ das neue Schiff bekommen und ich kriege die ,Dorette’.“
    „Aber warum bekommst du nicht das neue Schiff?“
    „Tja – alles soll gerecht zugehen. Das neue Schiff ist ein Sechstausender, und ich muß eben die Ochsentour meiner Kapitänslaufbahn auf diesen kleinen Trögen absolvieren. Ungeachtet dessen – ,Babette’ wie ,Dorette’ sind sehr gute kleine Tröge. Also Gerd, wollen wir gehen?“
    Ganz natürlich und kameradschaftlich legte er den Arm um sie. Ach, wenn doch nur ihr dummes Herz nicht so idiotisch rasch schlagen wollte! - Nimm dich zusammen, Gerd! Bist du eine würdige Büroleiterin oder ein alberner Teenager, der sich in die ersten blauen Augen verliebt?
    Die Abendluft schlug ihnen kühl und frisch entgegen. Die See lag vor ihnen, blank und still. An Steuerbord schimmerten vom Land die Lichter herüber. Gerd blieb an der Reling stehen.
    „Wie schön das ist, Helge.“
    „Ja, ein solcher Herbstabend kann wundervoll sein.“
    Gerd blickte nachdenklich ins Weite.
    „Weißt du, Helge, wenn ich an so einer Kette kleiner glimmernder Lichter vorbeifahre, denke ich an die vielen Heime, aus denen sie ins Dunkle strahlen. Wie viele Menschenschicksale, wie viele Sorgen und Freuden, wieviel Gutes und Böses sie beleuchten. Vielleicht fällt das Licht auf ein neugeborenes Kind; ein anderes rührt von einer Nachtlampe in einem Krankenzimmer her. Strahlen die Lichter besonders hell, dann verschönen sie vielleicht eine Festlichkeit. Hier draußen aber ist es so still. Wir gleiten an all dem vorbei, unsere kleine Welt ist durch die Bordwände des Schiffes abgegrenzt, und die übrige Welt geht uns gewissermaßen nichts an. Ach Helge, verzeih, ich rede wohl Unsinn.“
    „Nein, Gerd, du redest gar keinen Unsinn. Du drückst etwas aus, was ich selbst oft empfinde. Dieses Isoliertsein in einer so kleinen Welt, das Bewußtsein, das Gefühl zu haben, daß der Kontakt mit dem Festland unterbrochen ist, das werten wohl viele Menschen als Freiheitsgefühl. Hier sind wir ganz auf uns selbst gestellt, und das gibt uns das Empfinden, mehr oder weniger tun und lassen zu können, was wir wollen. Na, vielleicht ist nun das, was ich daherrede, bloßer Unsinn.“
    „Nein, durchaus nicht! Aber im Zeitalter des Fernsehens und des Telefons wird wohl dieses Gefühl des Isoliertseins doch nicht mehr so stark sein wie in alten Tagen, im Zeitalter der Segelschiffe.“
    „Da hast du recht. Jene Zeit würde ich übrigens brennend gern erlebt haben.“
    „Du bist eben zu spät auf die Welt gekommen“, lächelte Gerd, und damit glitten sie in einen lebensnahen und scherzhaften Ton hinüber nach dem kleinen ernsthaften Intermezzo.
    Gerd konnte nun das Kartenhaus betrachten, mit den vielen unbegreiflichen Instrumenten und Karten und dem kleinen Nebenraum, der des Bordfunkers Domäne war. Auf der Brücke stand der Erste Offizier und am Steuerrad ein Matrose. Helge wechselte einige Worte mit dem Ersten, gab einen Bescheid, stellte ein paar Fragen. Er warf einen Blick auf das Barometer.
    „Hm, das sinkt.“
    „Ja, es sinkt, Kapitän.“
    „Wer hätte das gedacht.“
    „Eben, und dabei habe ich Fräulein Elstö schönes Wetter versprochen.“
    „Ja, jetzt stehen Sie also da mit schlechtem Gewissen. Wir müssen nur hoffen, daß Fräulein Elstö seefest ist.“
    „Doch, das bin ich“, tröstete Gerd. „Sie werden sich nicht mit einem seekranken Passagier plagen müssen.“
    „Das beruhigt mich“, sagte Helge. „Wir werden ja hören, was die Wettervorhersage um 22 Uhr sagt.“
    Jetzt war die See noch ruhig. Helge führte Gerd umher und zeigte ihr alles, was es auf diesem kleinen Dampfer zu sehen gab. In der Offiziersmesse beendeten der Zweite Offizier und der Erste Maschinist soeben ihre Abendmahlzeit.
    „Hier kannst du essen, wenn du mich satt hast, verstehst du“, erklärte Helge. „Oder wenn ich zur Essenszeit gerade auf der Brücke bin. Aber du kennst wohl unseren Zweiten noch nicht?“
    Er stellte vor. Es wurden einige Worte über das unsichere Wetter gewechselt, dann kehrten sie in Helges Kabine zurück. Die war geräumig und hübsch ausgestattet. Sie enthielt einen Schreibtisch und außer dem Eßtisch, einer Polsterbank und Stühlen noch einen Schrank und

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