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Ein unauffälliger Mann - Chadwick, C: Ein unauffälliger Mann - It's All Right Now

Ein unauffälliger Mann - Chadwick, C: Ein unauffälliger Mann - It's All Right Now

Titel: Ein unauffälliger Mann - Chadwick, C: Ein unauffälliger Mann - It's All Right Now Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Chadwick
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die zweite Jahrhunderthälfte schafft, und übrigens, wie geht’s eigentlich der werten Gattin? Was ich sagte, war allerdings: »Es war mir eine Ehre. Und ja, hab ich, ich hoffe, genug, um damit über die Runden zu kommen. Wir haben doch drüber gesprochen, wissen Sie noch, was man am besten damit anfängt, ziemlich oft sogar, wie man die Kohle sicher anlegt, welchen Fonds man trauen kann, ha ha, und da ich ja jetzt keine Familie mehr am Hals habe und aufs Land ziehe, und na ja, es muß ja nicht ewig reichen ...«
    Er drückte mir ein letztes Mal den Ellbogen und richtete sein Augenmerk auf eine von mehreren Personen, die er schon eine ganze Weile über meine Schulter hinweg anschaute. »Alles Gute, Tom. Und denken Sie dran, wir bleiben in Verbindung, oder warum kommen Sie nicht ...« Er riskierte es kein zweites Mal, mich an sein Häuschen am See zu erinnern, wobei er vielleicht gar nicht
mehr wußte, daß er mich bereits einmal eingeladen hatte, ohne in die Details zu gehen, wie man es bei einer ungeliebten Verabredung macht. Ich murmelte zu seinem Unterkiefer und dann zu seinem Schulterblatt: »Viel Glück auch für Sie und immer die Fahne hoch, und da Sie schon fragen, eigentlich habe ich keine Lust auf Ihre stinkende Bruchbude. Aber wie wär’s mit übernächstem Wochenende, Sie abscheulicher, kleiner Streber ... ?«
    Er zwinkerte zweimal, gab mir einen Klaps mit der Rückhand und knuffte mich in den Oberarm, eilte dann, den rechten Arm ausgestreckt, durch die Menge und rief: »Na, aber hallo!«
    Da sonst niemand mehr meine Aufmerksamkeit erregte, schlich ich mich langsam davon, drückte einige Hände, ließ mir auf den Rücken klopfen und klopfte selber, wo BHs zugehakt waren. An der Tür drehte ich mich noch einmal um, doch kein Mensch schaute in meine Richtung. Plaskett beeindruckte eben den neuen amerikanischen Generaldirektor, probierte mit ziemlicher Sicherheit seinen neu erworbenen Slang aus oder ließ sich über Details der neuen Konzernstruktur mit ihren fünf Anhängseln aus, von denen drei (die brillanten, in sich stimmigen) mein Abschiedsgeschenk waren. Nicht daß meine Empfehlungen zur Gänze übernommen worden wären, eine zum Beispiel, die mir einen Platz in der neuen Firma (mit einem neuen Titel und fast dem doppelten Gehalt) gesichert hätte, wurde in einer Fußnote versteckt. Ganz offensichtlich war bei der Lektüre dem Kleingedruckten nicht genügend Aufmerksamkeit geschenkt worden. Der Amerikaner sah so aus, als müßte er gerade eine komplizierte Melodie einstudieren und dabei Werbung machen für die erstaunlichen Leistungen der Zahnheilkunde in seinem Land.
    Am Lift merkte ich, daß ich noch immer ein fast volles Glas Gin Tonic in der Hand hatte, ich ging deshalb noch einmal zurück und stellte es auf einen Tisch direkt innerhalb der Tür. Das letzte, was ich von ihnen sah, vom Großteil meines bisherigen Lebens, waren offene Münder und Augen, die verwundert über all die Wörter, die es trotz der beständigen Aufnahme von Essen und Trinken an die Luft schafften, in sie hineinstarrten. Zur Abwechslung war es kurzfristig einmal eine Erleichterung, richtig
auszusteigen, und nicht einfach nur ab- oder auf- oder bei etwas Gutem oder in etwas, das ich später bereuen würde (ha ha), einzusteigen. Ein Augenpaar kreuzte kurz meinen Blick, das der Aufseherin der Schreibkräfte gehörte, deren BH-Verschluß ich eben noch betastet hatte. Sie hob die Hand und winkte zweimal. Sie trug keinen Ehering mehr, wie noch letztes Weihnachten. Diesmal schickte sie mich nicht ins Weite – oder doch? Ich versuchte mir Klarheit zu verschaffen, indem ich eine Augenbraue hob und kurz nickte, aber sie wandte sich ab und gab dem Mann, der neben ihr stand, ein Küßchen auf die Wange, oder flüsterte sie ihm ins Ohr? O nein, nicht dieser krötengesichtige Wüstling aus der Buchhaltung, das kann doch nicht sein ...
     
    Es gäbe noch viel mehr zu erzählen, aber es sind nur die Reste des alten Lebens, und das führt zu nichts. Ich lasse es mehr oder weniger unverändert stehen, weil es, soweit ich das jetzt beurteilen kann, meine damalige Stimmung ziemlich gut wiedergibt. Ich glaube auch nicht, daß ich viel über dieses Ereignis nachgedacht habe, war ich doch viel zu sehr damit beschäftigt, mir einen Überblick über mein Vermögen zu verschaffen (mir meine Verbindlichkeiten aus dem Blickfeld zu räumen, scheint länger zu dauern), mir zu überlegen, wohin ich fahren sollte, um mir mein Häuschen auf dem

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