Ein unauffälliger Mann - Chadwick, C: Ein unauffälliger Mann - It's All Right Now
die einen nachts wach halten, und Blumenkohl- Jeeses ...«
Nun kapierte sie es und fing an zu kichern, was sie allerdings gleich wieder zum Weinen brachte.
»Und dann merkte ich erst, worüber er die ganze Zeit eigentlich redete« – und wir sprachen das Wort gemeinsam aus und grinsten breit für den Fotografen, der nicht da war, der nie da ist, wenn man ihn braucht –, »das Wort, das er meinte, war cheeses. So ein Käse.«
Dann zwinkerte ich und ging.
Vielleicht weil ich sie mir zerschmettert und blutig und tot am Straßenrand vorgestellt hatte, wollte ich sie zum Weinen bringen. Denn Äußerungen der Liebe sind selten und schwer zu erreichen, bevor alles vorbei ist. Das ist meine einzige Entschuldigung für die Gier meiner Liebe, und deswegen schäme ich mich nicht weniger. Daran denke ich, daran und an ihren Körper, der blutig und verdreht in einem Straßengraben liegt, in immer kürzeren Abständen zwischen den Zeiten, in denen ich glaube, daß ich nicht mehr über viel nachdenken muß.
Das sollte für den Augenblick genügen. Alles Schöne hat ein Ende. Im Augenblick ist eigentlich alles ganz in Ordnung. Ich habe eine nette Frau kennengelernt, die über einige meiner Witze lacht und einen Charakter besitzt, den man lebhaft nennt. Ich vermute, daß sie keine besonders gute Figur hat, aber das werde ich in Kürze herausfinden, und natürlich wird es völlig unwichtig sein, zumindest in dem Augenblick. Sie sagt, sie will keine Kinder, und das ist einer der Gründe, warum sie ihren Mann verlassen hat. Sie ist Mitte bis Ende Dreißig. Sie plappert gerne und freut sich über kleine Dinge (ganz im Gegensatz zu mir, ha ha). Wenn ich sagen würde, ich gehe mir jetzt eine Zeitung holen, dann würde sie sagen, was für eine fabelhafte Idee und ob sie mitkommen dürfe. Wenn wir zusammen eine Straße entlanggehen, hängt sie sich bei mir ein, umfaßt dann ihre eine Hand mit der anderen und drückt
sich an mich. Meine Frau war so gebaut, daß sie das unmöglich tun konnte, ohne mir Beschwerden zu bereiten. Ich hoffe, sie genießt, was passieren wird, wenn ich das meiste von dem herausfinde, was über sie noch in Erfahrung zu bringen ist; daß sie so ziemlich alles genießt, sollte meinen Genuß eigentlich verändern, wird es aber nicht, zumindest nicht in diesem Augenblick. Sie ist eine Zapplerin. Sie ist viel jünger als ihr Alter. Sie hat die Fähigkeit, mich zu ermüden, fürchte ich, aber dabei dürfte ich auch mehr über meine eigenen Fähigkeiten herausfinden, und theoretisch kann das ja auch nicht schaden, obwohl in der Praxis die Erkenntnis, zu wie wenig man fähig ist, ziemlich entfähigend sein kann – falls dieses Wort überhaupt existiert. (Sie besitzt nicht das, was man als öffentliches Gewissen bezeichnen könnte. Sie liest kaum Tageszeitungen, im Gegensatz zu Illustrierten, und sie hält sich auch nicht ernsthaft darüber auf dem laufenden, was in der Welt passiert. Aber wer tut das schon? Zumindest so ernsthaft, daß es der Ernsthaftigkeit der Sache entspricht. Es ist das Gefühl, daß man absolut nichts dagegen tun kann – in einem Wort, Unfähigkeit.)
Sie besitzt auch noch eine andere Fähigkeit: Geld auszugeben. Das bedeutet, es wird viel weniger bleiben, was ich meinen Kindern hinterlassen kann. Auf meinen Reisen vermisse ich sie sehr. Sollten wir je heiraten, werde ich sie mitnehmen, obwohl mir jetzt schon vor den zusätzlichen Ausgaben graut (wobei ich die Ersparnisse bereits eingerechnet habe). Ich muß deutlich mehr arbeiten, so daß Außenstehende sich bereits fragen, warum ich nicht mehr Geld damit mache. Ich muß mich weiterhin mit Plaskett gut stellen, der eben zu einem Direktor ernannt wurde und an dieser Stelle sicher nicht haltmachen wird. Trotz meiner lebhaften Gefährtin ertappe ich mich immer noch dabei, daß ich nach Mrs. P. giere, vor allem auf den gelegentlichen Geschäftsreisen mit ihrem Gatten, wenn es mehr als offensichtlich ist, daß er sich zu sehr mit den winkenden Profiten beschäftigt, um sich über Verluste andernorts Gedanken zu machen. Meine ehemalige Familie vermisse ich nicht, zumindest nicht dauernd, nicht mehr, als ich meinen Vater vermisse, der seit langem tot und begraben ist. Meine
Mutter lebt noch, und ich glaube, ich denke auch nicht annähernd genug an sie. (Denkt der Rest der Welt so viel über sich selbst und deshalb so wenig über die anderen nach wie ich? Ich vermute mal, mit ziemlicher Sicherheit ja, nach dem zu urteilen, worüber die Leute
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