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Ein unauffälliger Mann - Chadwick, C: Ein unauffälliger Mann - It's All Right Now

Ein unauffälliger Mann - Chadwick, C: Ein unauffälliger Mann - It's All Right Now

Titel: Ein unauffälliger Mann - Chadwick, C: Ein unauffälliger Mann - It's All Right Now Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Chadwick
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angestarrt. Auf dem Weg nach Hause sang ich. Nur diese winzige
Ermutigung reicht schon, na ja! Ausgehend davon, kann ich mir ein oder zwei Szenen ausdenken, die mir heute abend beim Einschlafen helfen. Oder ich schlucke eine kleine blaue Pille, wenn das nicht funktioniert. Darf nicht masturbieren. Versuche, meine Phantasien in meine Träume hinüberzuziehen. Wenn meine Kinder kommen, muß ich mein Notizbuch gut verstecken. Ich habe sie wirklich geliebt. Es hätte mir egal sein sollen, wer noch mit ihr vögelt, solange sie nur ... Ich könnte ewig so weitermachen. Aber das bringt nichts, also dreh das Rad ein wenig zurück. Nichts ist je vollständig. Die wenigsten Erinnerungen sind so gnädig.
     
    Ein paar Wochen nachdem der Vikar bei mir war, stattete ich der Kirche einen Besuch ab. Es lag eine Broschüre aus, die mir ihre Geschichte mitteilte und zugleich auch eine Menge über das Dorf. Es war ein bißchen wie eine Rückschau aufs eigene Leben: zuerst der ursprüngliche Kern, den man für bare Münze nehmen mußte – hier ein Stückchen Mauerwerk, dort ein Deckenbalken –, dann, über die Jahre hinweg, eine Reihe von Anbauten und Verschönerungen, die aber insgesamt ein stimmiges Ganzes ergeben, von dem man beim ersten Blick glauben könnte, es sei von einem einzigen oder einer kleinen Gruppe in relativ kurzer Zeit gestaltet worden. Das älteste Stück war das Taufbecken, dessen Inschriften, zusammen mit der obersten Steinschicht, zum größten Teil abgegriffen waren. Ich strich mit der Hand darüber, wie Tausende andere es getan hatten, mit Liebe und Hoffnung in ihren Gedanken und Beständigkeit und neuem Leben, so daß eine Reihe konziser Begriffe wie diese sich auf eine Weise vervielfachten, daß ich, nun ja, einfach nur dastehen konnte. Eine weitere Attraktion war das Lesepult. An ihm krochen spiralförmig Kreaturen hoch, vorwiegend Tiere, und auf eine Versammlung von Heiligen und dergleichen zu, die die Bibel präsentierten. Auch das war ein sehr schönes Stück, und es überraschte mich, daß sie so ungeschützt und offen dalag. Deshalb wohl auch die kleinen braunen Häufchen, vermutlich die Hinterlassenschaften von Insekten, die sich im Lauf der Jahrhunderte angesammelt hatten. Oder die Stockflecken. Die Seiten sahen alle ähnlich aus.

     
    Über dem Altar befand sich ein kleines, rundes Buntglasfenster, durch das die Sonne schien. Dargestellt war Jesus auf dem Schoß seiner Mutter und daneben ein Hirte mit einem Lamm im Arm. Alle trugen Heiligenscheine von angemessener Größe. Das Sonnenlicht ließ das Blau so strahlend leuchten, daß es beinahe unglaublich war, doch genau das war vermutlich die Absicht: einen daran zu erinnern, daß, wenn man das nächste Mal einen atemberaubend tiefblauen Himmel sieht, sehr viel mehr dahinterstecken könnte. Auch das Rot von Marias Gewand war roter als Blut. Die Broschüre bezeichnete das Fenster jedoch als spätviktorianische Arbeit und tat es als »grell« ab. Dies sollte die Aufmerksamkeit darauf lenken, was die Puritaner, als sie diese Kirche in die Finger bekamen, alles vernichtet hatten. Die ursprüngliche Glasmalerei war offensichtlich einzigartig gewesen. An einer Wand waren Verputzschichten abgetragen worden, um etwa einen Quadratmeter eines stark verblaßten Freskos freizulegen, das in Rosatönen die unteren zwei Drittel des Gesichts des heiligen Christopherus sowie seine Schulter mit einem Krummstab darauf darstellte. Ein Auge war gerade noch zu erkennen und zeigte einen Blick entschiedener Verdrossenheit über diese Zurschaustellung. Die ganze Gestalt war überputzt worden, um sie vor den Puritanern zu verstecken, und jetzt bestehe keine Hoffnung mehr, so die Broschüre, den Rest ebenfalls zu restaurieren.
    Es gab noch ein zweites, dreiteiliges Buntglasfenster mit der Inschrift: »Lasset die Kinder zu mir kommen.« Zu sehen waren fünf Erwachsene und sieben Kinder mit Jesus in der Mitte, alle sehr grell gewandet in Purpur, Königsblau, Olivgrün und einem satten Braun wie die Erde, auf die ich in meinem Garten so langsam stieß. Es gab auch zwei Bäume, einer mit orangefarbenen Kirschen, der andere mit roten Avocados, und darüber prangte eine Schwelgerei aus silbernen Blättern und gelben Sternen und goldenen und roten Schnörkeln. Kurz gesagt, eine sehr glückliche Szene, in der jeder sehr fromm und ziemlich unerträglich aussah, vor allem die Kinder.
    Auf den Bänken lagen einige Gebet- und Gesangbücher, und nur an etwa der Hälfte der Haken hingen

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