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Ein unauffälliger Mann - Chadwick, C: Ein unauffälliger Mann - It's All Right Now

Ein unauffälliger Mann - Chadwick, C: Ein unauffälliger Mann - It's All Right Now

Titel: Ein unauffälliger Mann - Chadwick, C: Ein unauffälliger Mann - It's All Right Now Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Chadwick
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nachträglicher Einsicht Vorausschau wird, würde ich es wahrscheinlich noch viel mehr
sein, verdorben, meine ich. In dem Augenblick fühlte ich mich so un-einzigartig, wie ich es als Kind getan hatte. Aber das ist vermutlich genau das, was Friedhöfe mit einem anstellen, vor allem, wenn Frühling in der Luft liegt. Mein eigener Schädel würde schon bald von den anderen nicht mehr zu unterscheiden sein, himmelwärts klaffend in einem Entsetzensschrei, oder ist es ein schallendes Lachen? Als ich nach Hause eilte, dachte ich mir, daß der Besuch von Kirchen, wenn man nicht daran gewöhnt ist, nicht weiß, wonach man suchen soll, ein schrecklicher Fehler sein kann. Vielleicht sollte ich damit zum Ende kommen – ein ganz anderes als mein letztes Ende, in lichterfüllten, aber schattenlosen Gefilden, wo es überhaupt keinen Tod gab, nur ewige Wiederbegegnung und Versöhnung.

KAPITEL ZWEI
    D er Frühling beeinflußte mich auf andere Art: indem er mir zum Beispiel meinen Mangel an Gesellschaft vor Augen führte. Ich hatte schon einige Male versucht, ein paar Zeilen über mich selbst für die Kontaktrubrik »Eye Love« in Private Eye aufzusetzen, aber das fiel mir außerordentlich schwer. Wer zugleich wählerisch und selbstzufrieden ist, der ist nicht leicht als liebenswürdig darzustellen, und dann drängt sich einem auch noch die Frage auf, wie aufrichtig man bei der Selbstdarstellung war. Wenn der witzige Nichtraucher zwischen seinen schalen Witzen dauernd Kaumgummi kaut, der teuflisch gutaussehende Börsenmakler einem das ganze Geld mit Fehlinvestitionen verschleudert, die ehrgeizige, attraktive Frau (22), die nach Leidenschaft, Freundschaft, Romantik sucht, sich nie entscheiden kann, in welcher Reihenfolge, der Motorsportler aus Sidcup, der eine Seelenverwandte sucht, den ganzen Tag nur an seinem Auto herumschraubt und nie ein Wort über die Lippen bringt, oder der hemmungslose, vielseitige, virile, diskrete, sinnliche, abenteuerlustige, zuverlässige, großzügige, lockere, zurückhaltende, intelligente, alleinstehende Sozialarbeiter, der eine spaßliebende, solvente, schlanke, humorvolle, verträgliche, aufmerksame, tolerante, erfolgreiche, anschmiegsame, ruhige, aber dynamische, hundebesitzende Akademikerin mit einem Faible für die Oper sucht, sich als Schlangenbesitzer erweist und dauernd furzt. Da ist einiges an Nachbehandlung nötig durch irgendeinen neugierigen Psychologen, der die vielfältigen Arten kennt, wie man sich enttäuschen lassen kann. All dieser Freiluftzeitvertreib, das Squash-Spielen und Bergsteigen, das Film- und Theatergehen und Essen und Trinken, mein Gott, was die Leute da
draußen alles an Amüsement suchen und nicht kriegen und was für einen Humor man haben muß, um dabei Liebe, Fürsorge und Empfindsamkeit nicht zu vernachlässigen.
    Das Beste, was ich nach natürlich viel zu vielen Stunden zustande gebracht hatte, war: »Mann mittleren Alters, alleinstehend, Haus auf dem Land, Rennie-Aktionär, stattlicher, plattfüßiger Raucher, interessiert an zumindest ein paar von den Dingen, die auch Sie interessieren, denn sonst würden Sie diese Anzeige nicht lesen, hat noch nie ein einziges Glas Alkohol getrunken, sitzt gern zu Hause, Kirchgänger, unmusikalisch, bevorzugt schicke Kleidung, Humor optional, wenn das Geld zur Neige geht, sieht sehr distinguiert aus, perfekte Sehkraft, mag pochierte Eier und antike Möbel und sieht anderen Leuten gern bei der Gartenarbeit zu.« Kein unwahres Wort in diesem Text, außer daß ich absolut keine Plattfüße, dafür mit Möbeln nichts am Hut habe und einen Chippendale-Sessel nicht einmal erkennen würde, wenn ich auf ihn hinaufkletterte, um eine Glühbirne zu wechseln.
    Die Anzeige war so furchtbar – raffiniert –, daß sie nur einer Frau eine Antwort entlocken würde, die so verzweifelt war, wie ich Gefahr lief zu werden, wenn ich noch mehr Zeit mit Selbstbetrachtung und – präsentation vergeudete. Warum schreibe ich denn die ganze Zeit so vor mich hin, wenn nicht, um das alles loszuwerden? Natürlich habe ich diese Anzeige nie abgeschickt, statt dessen das Folgende: »Ehemaliger Buchprüfer. Vorzeitiger Ruhestand. Ungebunden. Kultiviert. Kleiner Garten. Hobbys: Kochen. Bücher. Laufen. Squash. Raucher, der den Rauch nicht mag. Keine besonderen Vorlieben. Religion belanglos. Foto optional. Irgendwelche Interessenten?«
     
    Die erste Antwort, die ich eine Woche später erhielt, lautete folgendermaßen:
    Lieber Chiffre 1611
     
    Kann es sein,

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