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Ein unauffälliger Mann - Chadwick, C: Ein unauffälliger Mann - It's All Right Now

Ein unauffälliger Mann - Chadwick, C: Ein unauffälliger Mann - It's All Right Now

Titel: Ein unauffälliger Mann - Chadwick, C: Ein unauffälliger Mann - It's All Right Now Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Chadwick
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ins Haus hatte ich ihm das Wesentliche über mich erzählt, oder wenigstens einen Teil davon – Karriere im Geschäftsleben, erwachsene Kinder, vorzeitiger Ruhestand, Haus auf dem Land –, die Unterhaltung fand deshalb einen unverkrampften Abschluß, und wir konnten aufstehen. An der Haustür schaute er hinaus über die flache, schlierige Landschaft und sagte: »Ich bin nicht von hier. Aus den Cotswolds, ist hügeliger dort, sanfte Abhänge und Waldstücke. Zuviel Himmel hier, finden Sie nicht auch? Man kann den Blick nicht schweifen lassen, es gibt zu wenig, das einen ablenkt von der Endlichkeit aller Dinge, nur Wolken,
die vorüberziehen. Die Zeit bläst schwarzen Schmiederauch, kennen Sie die Zeile? Larkin.«
    Er wirkte in dem Augenblick alles andere als zu Späßen aufgelegt, deshalb verstand ich die Anspielung nicht. Es hatte keinen Sinn, ihm zu erklären, daß man sich ja irgendwo niederlassen mußte, daß der Preis auch eine Rolle spielte und es nicht zu weit weg sein durfte vom Meer, wo nicht zu viele Leute, die mir ähnlich waren, ebenfalls sein mußten, und auch nicht zu abgelegen, so daß es Probleme geben könnte mit dem Fernsehempfang (ganz zu schweigen davon, daß niemand in der Nähe wäre, wenn man ein Knarzen auf der Treppe oder Flüstern hört und das Telefon nicht funktioniert). Aber warum das Meer? Das hat etwas mit diesen Familienurlauben vor so vielen Jahren zu tun, diesen Wochen, in denen das Leben besser war als zu anderen Zeiten, eine Inszenierung von Glück, die dem echten möglicherweise recht nahe kam, weil es den Anschein hatte, als würden wir und die um uns herum zu uns selber kommen, uns eher gerecht werden, trotz einer Menge kindischer Mätzchen. Also sagte ich nur: »Ja, sicher, aber man kann ja nicht ewig suchen. Und nachdem ich in Großstädten gelebt habe, habe ich nichts gegen den Himmel. Und keine Sorge, ich werde ein wachsames Auge auf die Kirche haben.«
    Er drehte sich um und gab mir die Hand. Die Stirnfalten und das grimmige Lächeln waren wieder da – so wollte er, daß ich ihn in Erinnerung behielte, was mir noch einen heftigen Gewissensbiß verursachte. »Die Sache mit dem Glauben, ob Sie in die Kirche gehen und so. Ich bin nicht deswegen gekommen, wollte Sie nicht aushorchen oder bedrängen, nachdem ich gemerkt habe, daß Sie eben nicht so sind. Aber Sie hätten es ja sein können, und wenn, dann ...« Er schaute wieder zum Himmel hoch, der jetzt großflächiger schwarz und tiefer wurde. »... Ich mache recht feierliche Hochzeiten, Taufen, Beerdigungen, machen wir alle. Diese unaussprechliche neue Liturgie ist nichts für mich. Ich bin eher der Mann für bimmelnde Glöckchen und Orgelklang und Wohltätigkeitsveranstaltungen. O ja. Die Krankensalbung. Die liegt mir am Herzen. Ist allein unser Fehler, daß die Leute nicht mehr danach verlangen, aber reden wollen sie schon ganz gern, weil sich
keiner so ganz sicher ist wegen der Auslöschung, wissen Sie, Ende und aus, letzter Vorhang und so. Warum sie uns nicht fragen? Weil bei uns alles viel zu lange viel zu salbungsvoll war. Herzlichen Dank für den Tee ...«
    Er ging über den Gartenweg zu seinem Auto und wäre beinahe über den Rechen gestolpert, den ich tags zuvor, als es anfing zu regnen, dort liegengelassen hatte. Würde er sich später daran erinnern, daß er gar keinen Tee bekommen hatte, und sich dann töricht vorkommen? Deshalb sagte ich: »Tut mir leid, daß es nur Porzellan war.«
    Er verstand es und nickte. »Die Unmengen, die ich bei meiner Arbeit von diesem Zeug zu trinken kriege, das können Sie sich gar nicht vorstellen.« Er drehte die Handflächen nach oben und betrachtete einige Augenblicke die Regentropfen, die sich darauf sammelten. »O Herr«, sagte er schließlich, ein verwirrter Hirte, der seine Herde zählt. »Sagen wir es alle gemeinsam: Es ist der Gedanke, der zählt ... Sie lesen doch auch Zeitung, nicht? Jeden Tag dieses fast unvorstellbare Leid, jenseits ...«
    Er trabte zu seinem Auto, als der Wolkenbruch einsetzte. Drinnen kurbelte er das Fenster hoch, dann ein paar Zentimeter herunter, um durch die Lücke kurz mit den Fingern zu winken, und schließlich wieder hoch. Nach einigem Gängeknirschen und Leerlaufjaulen setzte sich das Auto mit einem Ruck in Bewegung, und mir blieb nichts anderes zu tun, als den Rechen aufzuheben und ins Haus zu gehen, um weiter auszupacken und dann ungefähr drei Stunden fernzusehen. In mein Notizbuch schrieb ich: »Der Vikar war da. Glaube nicht, daß

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