Ein unauffälliger Mann - Chadwick, C: Ein unauffälliger Mann - It's All Right Now
ich ihn häufig sehen werde. Habe versucht, das Gespräch entspannt zu halten, aber ihm geht viel zuviel durch den Kopf.«
Es muß etwa um diese Zeit gewesen sein, daß ich meinen Kindern und ihrer Mutter schrieb, um ihnen zu erzählen, was aus mir geworden war: kurze, sachliche Briefe – die Abmessungen der Zimmer und des Gartens, die Entfernungen zwischen hier und dort, eine Skizze des Dorfs. Meinen Kinder schrieb ich: »Wie Ihr seht, habe ich mein Leben jetzt ganz neu geordnet.« Bei meiner Frau
fügte ich als Schlußsatz hinzu: »Ich sage Dir Bescheid, wenn ich ein Fall geworden bin; es wird eine Offenbarung sein.«
Der blonden Frau, mit der ich mich so prächtig verstanden hatte, als ich schrieb, es sei zu der Zeit ganz in Ordnung gewesen, schrieb ich allerdings nicht. Sie arbeitete im Bankgewerbe. Im Publikumsverkehr, und zwar wie. Ich schätze, wir hatten die ganze Zeit gewußt, daß es nicht für die Dauer sein konnte. Es war keine große Sache, die zum Ende führte, nur entdeckte ich, daß ich nicht der einzige Mann in ihrem Leben war. Bei Gott, das ist ja ganz in Ordnung, außer daß Teilen heißt, weniger für sich selber zu haben. Das ist jetzt schon eine ganze Zeit her, und nur weil es zu Ende ist, ist es einer Erwähnung wert. Gehört vielleicht auch ziemlich an den Anfang.
In ihrer Wohnung fand ich an jenem Abend eine Kondomhülle unter dem Bett und eine Woche zuvor ein paar lockige, schwarze Haare im Abflußgitter ihrer Badewanne. (Ich versuchte, sie eben zu überreden, mich bei ihr einziehen zu lassen, weil ich mir dachte, Alltag und Haushalt miteinander zu teilen würde die Sache endgültig machen.) Es gab auch Anrufe, bei denen sie kurz zuhörte und dann sagte: »Ich rufe zurück.« Und mir erzählte, es sei nur die und die, eine Frau, deren Stimme von weit weg sehr tief klinge. Das Zusammenziehen, vielleicht sogar eine Heirat, war in dieser Zeit zunehmend zu einem Thema geworden, bei dem sie immer weniger darauf brannte, zu einem anderen zu wechseln. Wenn man es bis zum Ende aufhob, schien es sie durchaus zu fesseln, auch wenn es offensichtlich eher das Procedere an sich war als mein Anteil daran, was sie interessierte, so daß ich mein Pulver zu schnell verschoß, mein Schlußantrag keine Unterstützung fand und die Vertagung beschlossen war, bevor wir uns auf das Datum unseres nächsten Treffens einigten.
Ich fing die Unterhaltung folgendermaßen an: »Es gibt auch noch andere Kerle, nicht? Noch immer, meine ich. Geht mich ja nichts an oder zumindest nicht nur, aber ist es so und wird es so weitergehen, willst du damit so weitermachen ... ?«
Wir saßen zu der Zeit auf dem Sofa und hatten so gut wie nirgendwo
Tuchfühlung, höchstens an den Oberschenkeln und an den Oberarmen. Sie wollte eben aufstehen und die Flasche Wein öffnen, die ich zusammen mit der Pizza, glaube ich, gebracht hatte. (Ja, Anchovis und Tomaten. Ich sehe sie jetzt vor mir, es waren auch ein Paar Pilzscheibchen darauf. Sie sah ekelerregend aus, wie sie da vor uns auf dem Tisch lag, wie trocknende Kotze. Hätte ich bloß nicht, dachte ich damals.) Da sie sofort von mir abrückte, fügte ich hastig hinzu: »Wenn’s nur nicht so schwer zu ertragen wäre, so unangenehm. Nicht daß ich in meiner Lage sonderlich viel dagegen haben dürfte, bei all den Gedanken, die wir Männer so haben ... Es wäre mir nur lieber, du würdest es nicht tun, das ist alles ...«
Hierauf folgte eine Pause, die, rückblickend betrachtet, länger war, als es plausibel erscheint. Dann stand sie auf, strich ihren Rock glatt und knallte die Weinflasche so auf den Tisch, daß ein schwarzer Plastikaschenbecher mit meinem Stumpen darin auf den Boden sprang. Den ich eben erst gesaugt hatte, wie ich sachlich bemerkte.
»Dann bin ich also schwer zu ertragen, was? Unangenehm, wie?« sagte sie, drehte sich kurz mir zu und dann wieder um auf eine Art, die eine atemberaubende Wirkung auf Rock, Hintern und Hüften hatte.
»Ich habe doch nicht gesagt, daß du ...«
Aber es war eine Ewigkeit zu spät. Ich wollte nur, daß sie mit einem Hauch Barmherzigkeit oder wenigstens nicht zu verletzend sagte, was sie schon länger, als ich mir vorzustellen wagte, zu sagen plante. Unterdessen fing ich, um mich aufzuheitern, an, mir auszurechnen, was sie mich alles gekostet hatte, und davon das abzuziehen, was sie mich nicht länger kosten würde. Es kam so einiges zusammen, und ich vermute, ich hatte ein Grinsen auf dem Gesicht, als ich sagte: »Ich mag gar
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