Ein unauffälliger Mann - Chadwick, C: Ein unauffälliger Mann - It's All Right Now
Amerikaner sind. Keine Ahnung, was sie an einem Trottel wie mir gefunden hat. Wir gehen jetzt den langen Weg zurück, vielleicht sehen wir auf Hodgons Weide eine Lerche oder zwei, denen ist die Schweinescheiße ja egal, den Vögeln. Damit wir Appetit bekommen und einen Durst, der nur mit ein paar Kräftigen zu löschen ist.«
»Sehr freundlich, daß Sie vorbeigeschaut haben«, sagte ich nun und mußte einfach hinzufügen: »Ich hoffe, am Rhein läuft alles gut. Könnte weiter weg sein und gefährlicher. Und sie kriegen ja auch oft Urlaub, oder?«
»Die liebe Susie. Immer so charmant ... na ja«, war alles, was er noch sagte, als er davonging, um seine Frau zu treffen, und nach etwa zwanzig Metern hob er noch einmal die Hand hoch über den Kopf, wie um einen plötzlichen Strom dichten Verkehrs zu stoppen.
Vielleicht könnte ich hier ein bißchen was überspringen. Seine Tochter sah ich das nächste Mal bei seiner Beerdigung, doch die hat bis später Zeit. Ich erwähne das nur, weil, wenn ich mich jetzt, da er tot ist, an das Obige erinnere, sehe ich ihn in einer anderen Umgebung und bin blind für die meine. In den Notizen, die ich mir an diesem Abend machte, steht nichts davon, daß er zum Himmel hochschaute und die Sonne suchte, und ich bin mir auch alles andere als sicher, wieviel er über seine Tochter gesagt hatte. Danach traf ich ihn noch mehrmals, jedoch ohne zu wissen, daß ihm nur mehr so wenig Zeit blieb. Drei- oder viermal besuchte ich die beiden in ihrem Garten, wo Agnes, wie ich sie ab jetzt nennen werde, mich ziemlich häufig berührte oder sich an mich drückte, jedoch immer so, daß er es mitbekam. Er hatte nichts dagegen. Bei der letzten Gelegenheit war sie nicht da, sie war zu Besuch bei ihrer Familie in den Staaten. Bei einer anderen Gelegenheit sagte er mir, es sei sehr schade, daß ich seine Tochter nur um ein paar Stunden verpaßt hätte. Irgend etwas im Zusammenhang mit ihr machte die beiden traurig, denn sie wechselten das Thema (zum Gesang der Lerchen, was für ein Zufall), als ich fragte, wie es ihr
gehe. Traurig war nicht das richtige Wort für mich, als ich am Kaminsims stand und ein Foto von ihr als Teenager betrachtete, wie sie gerade ein Boot steuerte, vielleicht auf den Norfolk Broads. Eine Fotografie ist treu, heißt es. Wenn das so ist, dann kann es gut sein, daß sie weder davor noch danach je glücklicher war, außer jemand hatte ihr eben einen unglaublich guten Witz erzählt. Wie auch immer, worauf ich hinauswill, ist, daß vieles von obigem, auch wenn es abschließt, was wahrscheinlich zum zweiten Kapitel werden wird, erst gegen Ende geschrieben wurde, wohl um mich von dem freudlosen Mittagessen abzulenken, das ich eben mit meinem Sohn hatte, es kann deshalb sein, daß es mit Unwahrheiten durchsetzt ist, eine Art Entschuldigung an das immer weniger Erinnerbare und wie ich es zu der Zeit zu begreifen suchte. Natürlich könnte ich nach Herzenslust weiter über Susie und ihren Vater spekulieren, aber darum geht’s wohl kaum.
KAPITEL DREI
J etzt, glaube ich, das Kindermädchen Nanny Phipps, meine Tochter und Maureen, und zwar in dieser Reihenfolge.
Nach dem Zustand des Häuschens zu urteilen, war Nanny Phipps schon vor langer Zeit ausgezogen und hatte nichts zurückgelassen außer einem alten Lederkoffer in dem Schrank unter der Treppe. Da ich den Platz brauchte, erinnerte ich Sidney mehr als einmal daran. Er gab mir eine Telefonnummer, aber dort antwortete niemand. »Ich würde ihn einfach wegwerfen, wenn ich Sie wäre«, sagte er schließlich. »Wo sie jetzt ist, bei den Engeln oder bei den Krabbeltieren, da braucht sie ihren Krimskrams nicht mehr.« Da aber der Koffer in einem ausgezeichneten Zustand war, beschloß ich, ihn zu behalten, nachdem ich mich seines Inhalts entledigt hatte.
Der bestand aus einem schlichten schwarzen Kleid, zwei Schürzen, einigen Porzellanfiguren, die Haustiere darstellten, einem in Seidenpapier gewickelten, kaputten Reisewecker, drei goldenen oder goldfarbenen Fotorahmen ohne Fotos, einem kastanienbraunen Schal, einem Gebetbuch, einer Bibel, einer Muschelhalskette, einem Paar knöchelhoher Stiefel mit dicken Absätzen, aber ohne Schnürsenkel, wobei ein Absatz höher war als der andere, einer in einen gelben Seidenschal gewickelten Untertasse mit Weidenmuster, einigen Kinderbüchern, einem kleinen Flachmann, einer malvenfarbenen, karierten Decke und einem Fotoalbum.
Ich trug das Fotoalbum in mein »Arbeitszimmer« und blätterte es durch.
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