Ein unauffälliger Mann - Chadwick, C: Ein unauffälliger Mann - It's All Right Now
meine frühere Frau es genannt. Stinknormale Selbstachtung, würde ich es nennen.
Eine der Frauen vom Kunsthandwerkszentrum hatte mich gerügt, weil ich ihren Laden noch nicht besucht hatte, und deshalb ging ich eines wechselhaften Spätnachmittags dorthin. Das Zentrum
war ein ehemaliges Gehöft etwa eine Meile entfernt, und neben dem Haupthaus gruppierten sich vier kleine Scheunen oder Nebengebäude um einen Hof, auf dem sich ein Schwein, eine Ziege und diverse Hühner tummelten. Die eben erwähnte Frau kam auf mein Klingeln in einem wadenlangen Nachthemd an die Tür, und mir wurde schlagartig bewußt, daß das, was diese drei in der Kirche getragen hatten, ganz und gar nicht ihre Arbeitskleidung war. Außer das war das Ding, in dem sie schlief, und sie war darin eben schief aus dem Bett geklettert, so daß eine Brust mehr bekleidet war als die andere. Eine ganze Menge mehr. Es war deshalb weniger unverschämt, daß ich an ihr vorbei ins Haus spähte, als würde ich mich fragen, was da drinnen auf mich lauerte.
»Kommen Sie doch rein«, sagte sie. »Ziemlich dreckig alles, aber so ist es eben.«
Wir machten es uns bei Wiesenblumentee und selbstgebackenen Keksen gemütlich, und sie erzählte mir von dem Zentrum. Ich schaute mich um. Für Maureen wäre das absolut nichts. Der Raum war eigentlich eine Küche, aber auch eine Müllhalde oder ein Transitdepot für so ziemlich jedes praktische Haushaltsutensil, das ich mir vorstellen konnte, von diversen anderen ganz zu schweigen. Er war außerdem eine Tierhandlung. Während sie redete, die Arme unter den Brüsten verschränkt, so daß sie mir die Last aufhalste, kamen zwei Katzen zu uns an den Tisch, während ein Hund meine Knöchel beschnupperte und ein zweiter ihren ausgestreckten, nackten Fuß leckte. Eine dritte Katze gesellte sich dazu und strich zwischen uns hin und her, entschied sich nach ausgiebigem Schnuppern gegen den Tee, fand aber unterwegs andere Dinge zum Lecken. Die ersten beiden Katzen hatten eine Meinungsverschiedenheit, erkundeten sich dann aber ausführlich und besannen sich eines Besseren. Um wieder einmal den Blick von den Brüsten zu nehmen, senkte ich den Kopf. Es war, wie ich befürchtet hatte. Inzwischen beschnupperten zwei Hunde meine Knöchel, und auf dem Stück Socke, das ich sehen konnte, waren Sabberfäden zu erkennen. Außerdem bemerkte ich den Kopf eines sehr jungen Hündchens, der sich heftig hin- und herbewegte, vermutlich mit einem meiner Schnürsenkel zwischen den Zähnen ...
»Deshalb sollten Sie wirklich bei uns Mitglied werden. Irgendein Talent hat jeder ...«, sagte die Frau gerade.
Anschließend führte sie mich über den Hof, und während sie noch immer barfuß ging, setzte ich vorsichtig die Füße, um nicht in die Hinterlassenschaften von Säugetieren, Vögeln und schlechtem Wetter zu treten. In der ersten Werkstatt beaufsichtigte ihr Bruder oder Gatte oder keins von beiden einen jungen Mann, der einen Notenständer baute. Er winkte mir, als hätte er mich hier schon öfter gesehen. Insgesamt sieben oder acht Leute arbeiteten an hochklassig wirkenden Möbelstücken in unterschiedlichen Stadien der Fertigstellung. Gemeinsam hatten sie alle nur eins: Sie wirkten sehr beschäftigt. Seite an Seite arbeiteten an identischen Nachtkästchen ein etwa vierzehnjähriges Mädchen in Schwarz und Silber mit aufgestellten Haaren, deren Farbgebung wirkte, als wäre die Trägerin noch im Entscheidungsprozeß begriffen, und ein älterer Mann in weißem Hemd mit Manschettenknöpfen, dunkelblauer Krawatte mit goldenen Blättern darauf und einer scharf gebügelten Hose mit Umschlägen, der aussah, als wäre er erst kurz zuvor beim Friseur gewesen. Am anderen Ende der Werkstatt standen mehrere fertige Objekte: ein Gehäuse für eine Standuhr, ein kleiner Sekretär mit Rolladen, zwei identische Stühle mit hohen Lehnen und ein ganzes Nest von Tischen. Die Frau erzählte mir eben von staatlichen Beihilfen und Verkaufsfilialen, und ich fragte sie, was die Dinger einbringen würden. »Was die Leute zu zahlen bereit sind«, erwiderte sie verächtlich.
In der zweiten Werkstatt arbeiteten die Leute mit Stoff, man webte oder färbte. Hier war es die zweite Frau, die mich herumführte, beziehungsweise zwischen den Tischen hin und her ging und Ratschläge gab, denen ich zuhörte. Das Publikum hier war dieselbe bunte Mischung wie drüben, allerdings mehr Frauen als Männer oder vielleicht auch nicht, weil man bei zweien nicht so recht sicher sein
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