Ein unauffälliger Mann - Chadwick, C: Ein unauffälliger Mann - It's All Right Now
blinzelte nicht und ließ auch ansonsten mit ihren Gesichtszügen absolut nichts passieren. »Vorausgesetzt, die Schlafzimmertür kann abgeschlossen oder verriegelt werden«, sagte sie.
»Oder noch besser beides«, erwiderte ich und spürte, wie mein Gesicht alle Höhen und Tiefen der Seelenunruhe durchmaß. »Du würdest sicher klopfen müssen.«
Nun ja, sie lachte darüber so sehr, wie ich es tat, wobei mir der Witz sehr schnell entfloh. Wir machten sofort einen Tag aus, in drei Wochen. Es war ein sehr liebevoller Abschied, ein Kuß auf den Mund, die Lippen hatten Zeit für ein wenig vielversprechende Beweglichkeit. Und danach ruhten vier Hände lange ineinander.
Die folgenden drei Wochen waren teuer. Ich hatte einen Blick in ihr Schlafzimmer werfen können, und die hellblauen und grünen Rüschen, die glänzenden Möbel, die langflorigen, weißen Wollvorleger, der hohe, dreiflügelige Spiegel und die mit Bordüren und Fransen verzierten Lampenschirme setzten einen gewissen Standard. Ich entschied mich für Goldvariationen als Grundton, einschließlich Handtücher und Bettwäsche, aber die Tagesdecke war ein Patchwork aus Farben mit Dunkelbraun als Grundton, und sie stammte aus Marokko oder irgendwo aus der Gegend. Dies lenkte die Aufmerksamkeit ab vom magnolienfarbenen Anstrich der Wände, die noch mindestens einen weiteren brauchten und noch immer brauchen. Außerdem kaufte ich Blumen, Pralinen, Badesalze, parfümierte Seife, einen flauschigen, roten Toilettendeckelbezug, einen nach Flieder duftenden Lufterfrischer, einen Toilettenbürstenhalter, ein Seifenschälchen, zwei Prozellanschäferinnen und eine antike Toilettentisch-Garnitur, für die ich erst einen alt aussehenden Toilettentisch kaufen mußte, um sie darauf stellen zu können. Diese Beschäftigung mit den materiellen Vorbedingungen weiblicher Intimität erhöhte das Verlangen nach derselben, und nachdem ich ausführlich mit den Wattstärken von Glühbirnen experimentiert hatte, war die Bühne bereitet. Manchmal ist der Reiz des Theaters durchaus zu begreifen, warum die Leute darin so von sich selbst eingenommen sind. Auch ansonsten viel Gedankennahrung, was mich daran erinnert, daß ich auch ein reich bebildertes Kochbuch gekauft hatte.
Im Verlauf des Ganzen beschloß ich, sie als meine Schwester auszugeben. Ich genieße Tratsch mindestens so sehr, wie andere ihn vermutlich über mich genießen, deshalb wollte ich nicht, daß hinter unserem Rücken getuschelt wurde, wenn ich sie herumführte, um ihr einen ersten Eindruck von dem Leben zu geben, das zu teilen uns demnächst als Perspektive erscheinen könnte, so daß, falls wir es taten, seine Vorhersagbarkeit keine Überraschungen bereithielt, wobei ich natürlich nicht daran dachte, daß diese Art der Inszenierung Anlaß zu noch frivolerem Tratsch geben könnte.
Sidney war der erste, der es erfuhr. Er kam eines Abends vorbei, als ich gerade im Garten arbeitete. Ich war ziemlich verdreckt, da ich versucht hatte, eine dicke, überflüssige Wurzel auszureißen.
»Hübsch«, sagt er. »Ich muß schon sagen, sehr hübsch. Fast zu schade für einen allein, in gewisser Weise.«
»Meine Schwester kommt mich besuchen, und da dachte ich, ich ...«
»Ach ja?«
»Putze ihn ein bißchen raus.«
Es war das falsche Wort. Er schaute mich von oben bis unten an, fuhr sich mit der Zunge über seine Zahnfüllungen, und schließlich blieb sein Blick an meinem Bauch hängen, wo auf der Höhe des Nabels ein Hemdknopf fehlte.
»Bleibt sie lange, Ihre, äh, Schwester?«
»Übers Wochenende.«
Ich bin mir nicht sicher, ob er blinzelte, denn sein Blick wanderte sehr schnell zu meinen erdverschmierten Händen und von dort zu meinen Knien.
»Schmutzig«, sagte er deutlich hörbar und grinste mit einem knurrenden Geräusch. »So nennst du das also«, schien er zu sagen, als er mir zum ersten Mal ins Gesicht schaute, das von der Anstrengung verschwitzt und gerötet war, »aber dein Geheimnis ist bei mir sicher aufgehoben.«
»Leck mich, du blödes, kleines Arschloch«, sagte ich. Laut sagte ich: »Ist ’ne ziemlich dreckige Angelegenheit«, und schnippte mir einen Erdkrumen vom rechten Knie. »Muß mich jetzt erst mal saubermachen.« Und wandte mich bereits ab, als er noch sagte: »Na, dann hoffe ich, Ihrer Schwester gefällt es.«
Keine Ahnung, was für einen Ausdruck er im Gesicht hatte, aber ich meinte, dieses Knurren noch einmal zu hören. Das war alles natürlich reine Einbildung. Paranoia, hätte
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