Ein unauffälliger Mann - Chadwick, C: Ein unauffälliger Mann - It's All Right Now
dieselben wie diejenigen im Krankenhaus, die jetzt mit Blumensträußen und Papiertüten voller Obst kamen und gingen, die wortkarg und verängstigt an Bettkanten saßen. Er war es, der mich daran erinnerte, einfach indem er so dalag, denn damals war er am glücklichsten gewesen, trotz allem, was meine Mutter gesagt hatte über den Idioten, dem wir den Laden überlassen hatten, und all die anderen Idioten, die so weit gereist waren und so viel Geld ausgaben, nur um dafür zu sorgen, daß wir uns nicht so amüsierten, wie wir es ansonsten hätten tun können.
Mein Vater lag im Sand und starrte mit blinden Augen zur Sonne hoch, die Hose bis zu den Knien aufgekrempelt, die Hände auf dem Bauch verschränkt. Während meine Mutter dasaß und strickte und sich nach anderen Sachen umsah, die sie lächerlich finden konnte, und da es dafür keinen besseren Ort gibt als den Strand, hatte auch sie eine recht schöne Zeit. Keiner der beiden schwamm, aber mein Vater planschte, strampelte mit einer gewissen
Verstohlenheit im Flachwasser. Fast seine letzten Worte zu mir waren: »Laß uns wieder ans Meer fahren, Tom, mein Junge, sobald ich hier rauskomme. Nur der verdammte blaue Himmel und das Wasser bis zum Ende der Welt und eine frische Brise. Hätte nichts dagegen, wenn’s mich dort erwischen würde und nicht hier, wo man nichts sieht außer diesem Stückchen Dach, und die ganze Zeit schifft’s wie aus Kübeln.«
So erinnere ich mich meistens an meine Eltern, am Meer. Ich weiß nicht, wie sie wählten. Meine Mutter hatte vielleicht überhaupt nie gewählt, und es verging kaum ein Tag, an dem sie nicht sagte, das wäre mal wieder der typische Blödsinn, den die Regierung so macht, oder dieser oder jener Politiker sollte endlich mal aufhören, so selbstzufrieden zu grinsen. Mein Vater sagte immer: »Politik, die ist eben so, was soll man da schon groß sagen. Irgend jemand muß es ja machen.« (Falls meine Eltern wirklich zur Wahl gingen, hatte er wahrscheinlich immer das genaue Gegenteil von ihr gewählt, da es alle vier Jahre seine einzige Chance war, sich gegen sie zur Wehr zu setzen.)
Sie haben wahrscheinlich das meiste davon übersprungen. Das kann ich verstehen, denn ich machte es genauso, als Maureen mich schließlich nach Mrs. Thatcher fragte und hinzufügte, ihre Eltern hätten immer für die Konservativen gearbeitet, was in Bournemouth so sein muß, als würde man dem Platzwart in Wimbledon die persönliche Nagelschere anbieten. Wir nahmen gerade unsere Plätze in der Festival Hall ein, man wartete auf die Konzerteröffnung, der vierte Marsch aus Pomp and Circumstance eines gewissen Elgar, und ich schaffte es gerade noch, als Antwort auf ihre obige Frage mit meiner besten Bauchrednerstimme zu sagen:
»Sie ist ein Kreuz ...« (Was sie eigentlich gar nicht ist, oder zumindest nicht immer.)
Und das reichte auch völlig, denn das Orchester stimmte bereits die Instrumente, und sie legte ihre Hand auf meine, und ich dachte an meinen Vater, wie er den besser bekannten ersten Marsch aus diesem Zyklus, »The Land of Hope and Glory«, summte und vielleicht von diesem Land der Hoffung und des Ruhms träumte,
während er sein eigenes, hoffnungsloses und unrühmliches Stückchen Land hinter dem Haus bearbeitete und etwas von »Mother of the Free«, der Mutter der Freien, summte, wenn sie, meine Mutter also, ihm eine Tasse Tee brachte und mir auftrug, ich solle rennen und ihm eine Flagge besorgen.
»Ich wähle sie auch, sie ist einfach die Richtige für uns«, flüsterte Maureen, als der Dirigent seinen Stab zur Hand nahm, und drückte meine Hand.
Ich nickte, wir wandten uns einander zu und lächelten, und unsere Geheimnisse blieben ungeteilt. Sie drückte meine Hand fester, je länger der Marsch dauerte, und ich war froh, daß es nicht der andere war, denn sonst hätte ich möglicherweise einen Schrei ausgestoßen, wie er in denAnnalen öffentlicher Konzerte beispiellos wäre. Aber er war dennoch spannend, denn er führte mich durch Unterholz mit der Aussicht auf freie Landschaft dahinter.
Das passierte als nächstes. Ein Klavierkonzert von Beethoven, das wegen seiner Langsamkeit auch von jenen sehr geliebt wird, die sonst keine großen Musikliebhaber sind. Es war wie ein langer, verträumter Spaziergang in freier Landschaft, so perfekt, wie man es sich kaum vorstellen kann. Aber es war natürlich nicht nur die Musik, es war auch die Tatsache, daß ich sie mit ihr hörte, so wie sie dasaß, leicht vornübergebeugt, den
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