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Ein unauffälliger Mann - Chadwick, C: Ein unauffälliger Mann - It's All Right Now

Ein unauffälliger Mann - Chadwick, C: Ein unauffälliger Mann - It's All Right Now

Titel: Ein unauffälliger Mann - Chadwick, C: Ein unauffälliger Mann - It's All Right Now Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Chadwick
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von hinten, wie er in einen Park hinausschaute, in dem in der Entfernung Leute spazierengingen. Ein wunderschöner Morgen sei es gewesen, sagte er, aber er habe gewußt, wenn der Scheißkerl, verzeihen Sie, sich umdrehen würde, wäre es vorbei mit ihm. Außerdem sagte er mir, glückliche Erinnerungen brächten rein gar nichts, nicht, wenn’s dem Ende zugeht.«
    Die Heimleiterin nickte und lächelte mir zu, während Maureen zu uns stieß. »Ich bewundere Sie wirklich dafür, daß Sie an einem solchen Ort arbeiten«, sagte sie zu laut.
    »Es gibt noch viel schlimmere Orte«, erwiderte sie und berührte Maureen am Arm. »Die Jungen vor allem. Diese Schädigungen, diese Grausamkeiten, Sie und ich, wir können uns beide nicht vorstellen, das auch nur einen Augenblick auszuhalten. Na ja, irgendwie muß jedes Leben weitergehen.«
    Die andere Frau trat wieder in den Gang und winkte uns, und wir betraten das Zimmer. Die Heimleiterin beugte sich über einen hohen Lehnsessel, der mit dem Rücken zu uns stand, und schien irgend etwas zu ordnen und zurechtzurücken.
    »Kommen Sie, Miss Phipps, wir haben Besuch.«
    Ich ging am Sessel vorbei zum Fenster. Da ich so das sommerabendliche Licht blockierte, sah ich zuerst nur den Schal und die Decke, die sich auf dem Sessel türmten wie ein Haufen abgelegter Bettwäsche. Doch plötzlich bemerkte ich die Augen, die mich anfunkelten, weit aufgerissen vor Panik, bis die Heimleiterin sich zwischen uns stellte und beruhigend auf sie einsprach und ihr die Situation erklärte. Ich schaute zu Maureen, die in der Tür stand, das Zimmer musterte und meinen Blick mied.
    Es war nicht viel zu sehen: ein ordentlich gemachtes Bett mit
einer Patchwork-Daunendecke, ein Waschbecken mit Zahnputzbecher, ein Schrank und eine Kommode mit einem rotkarierten Deckchen und einem leeren Kerzenständer darauf. Auf dem Sims über dem verkleideten Kamin stand eine Vase mit künstlichen Narzissen, die inzwischen eher grau als gelb waren, und eine Porzellanschäferin mit einem fehlenden Arm, zu der ein Schäferhund und eine rotblonde Katze hochschauten. Fotos gab es keine. Das einzige Bild zeigte eine Burg auf einem Hügel mit einer karmesinroten Sonne, die hinter einer Wolke hervorbrach und einen muskulösen, weißen Hengst beleuchtete, der darauf zu warten schien, daß die Zugbrücke heruntergelassen wurde, die Nüstern, der Schwanz und die Mähne glimmend, als würden sie gleich in Flammen ausbrechen.
    Die Heimleiterin trat nun zur Seite, und Nanny Phipps starrte mich immer noch an oder an mir vorbei, um zu sehen, wohin das Licht verschwunden war. Die Heimleiterin nickte mir zu.
    »Ich wohne jetzt in Ihrem Häuschen, Miss Phipps«, sagte ich. »Und ich habe Ihnen Ihren Koffer gebracht.«
    Sie sagte nichts, suchte noch immer nach dem Licht, aber ihre Hände wanderten zu ihrer Brust und zupften an dem Schal.
    »Er hat Ihnen Ihren Koffer gebracht«, wiederholte die Heimleiterin laut. »Ist das nicht nett von ihm?«
    Ich kniete mich hin und öffnete den Koffer und hatte dabei Angst, sie würde sofort bemerken, daß die Bibel und das Gebetbuch fehlten.
    »Hier sind alle Ihre alten Fotos«, sagte ich und legte ihr das Album in den Schoß.
    Sie sagte noch immer nichts und rührte das Album nicht an. Dann drehte sie plötzlich den Kopf und sagte laut und deutlich zu Maureen: »Lily und Harry. Sarah ist tot, wissen Sie.«
    Sie fing an, zur Seite wegzurutschen, und die Heimleiterin richtete sie behutsam wieder gerade und sagte: »Nein, meine Liebe, das sind Mr. und Mrs. Ripple, die jetzt in Ihrem alten Haus wohnen. Sie haben Ihnen Ihren Koffer gebracht.«
    Ihre welken Hände kamen jetzt unter der Decke hervor und fingen an zu zittern, als sie sie mir hinstreckte. »Komm und erzähl
deiner alten Nanny, Harry«, murmelte sie. »Wo habt ihr Sarah hingebracht?«
    Ihre Hände bewegten sich weiter in meine Richtung, inzwischen völlig ruhig, bis ihre Arme ganz gestreckt waren. Ich streckte meine ebenfalls aus und umfaßte die ihren mit festem Griff. Ihre verschwommenen Augen, früher wohl blau oder grau, starrten mich an, als wollte sie, daß ich eine Angst oder eine Sehnsucht in ihnen sähe, die sie nicht mehr formulieren konnte.
    »Du mußt lauter sprechen«, sagte sie mit brechender Stimme. »Ich bin taub, weißt du.«
    Sie steckte sich ein rosafarbenes Gerät ins Ohr, und das ließ sie hochschrecken. Dann senkten sich ihre Lider, und der Mund klappte auf, und ich dachte, sie würde gleich einschlafen.
    »Ich fürchte, über

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