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Ein unauffälliger Mann - Chadwick, C: Ein unauffälliger Mann - It's All Right Now

Ein unauffälliger Mann - Chadwick, C: Ein unauffälliger Mann - It's All Right Now

Titel: Ein unauffälliger Mann - Chadwick, C: Ein unauffälliger Mann - It's All Right Now Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Chadwick
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ohne schmuddelige Marktstände. Als ich am nächsten Morgen aufwachte, hörte ich sie unten das Frühstück zubereiten und dabei mit großer Inbrunst eine Arie singen, deren Sprache ich jedoch nicht verstand.
     
    An diesem letzten Vormittag gingen wir miteinander in die Kirche und danach zu den Jenners. Es war ein schöner, aber kein strahlender Tag, die Wolken bleichten das Blau aus wie Bahnen ungewaschenen Musselins, und eine frische Brise kam immer dann auf und legte sich wieder, wenn man gerade dachte, es würde sich ein Hitzedunst bilden. Das Dorf versammelte sich vor der Kirche, hier und dort wurde gewinkt, einige Grüppchen standen plaudernd
auf dem Friedhof herum. In vernünftiger Entfernung löste ich mich von Maureens Arm, und sie seufzte und meinte, sie bekomme ihre Tage. »Jetzt bitte keine Witze«, fügte sie hinzu.
    Agnes war wieder da und begrüßte mich mit besonderer Herzlichkeit, ihre Haare zeigten frische Strähnchen, ihre Haut war noch tiefer braun als sonst, und die meisten ihrer Falten waren geglättet wie die Risse in einem teilweise restaurierten Möbelstück. Als ich Maureen vorstellte, kam Sidney mit betretener Miene dazu, die plötzlich verschwand, als er offensichtlich den Eindruck hatte, Maureen würde seinen Blick meiden, um seinen haarigen Selleriewurzel- und Kresse-Anzug zu bewundern.
    »Ein bißchen in der Sonne gewesen, wie ich sehe«, sagte ich zu Agnes.
    »Zwei Wochen Florida«, erwiderte sie. »Absolut wunderbar.«
    »Ist sie das nicht auch?« sagte Sidney und ließ seinen lüsternen Blick zwischen den beiden Frauen hin- und herwandern.
    Der Colonel schaute zu der Wetterfahne oben auf der Kirchturmspitze hoch und machte dabei ein Geräusch, das wie ein Räuspern klang, gefolgt von etwas, das wie »Blödmann« klang.
    »Ich werde nie so richtig braun«, sagte ich. »Meistens nur rosa. Wie Ihre Flamingos da drüben.«
    Der Colonel nickte mir über seinen Brillenrand hinweg zu, und Agnes zeigte uns ihre Zähne, was ihre Bräune noch um einiges dunkler machte. Sidney stand dicht neben Maureen und schaffte es gerade noch, sie nicht zu beschnuppern, was sie nicht zu bemerken vorgab, indem sie Interesse an der Architektur der Kirche heuchelte.
    Wir gingen aufs Portal zu, wo der Vikar schon wartete. Noch eine Vorstellung. »Mal nachschauen, was der große Bruder so treibt, mh?« fragte er. »Da haben Sie sich aber einen schönen Tag dafür ausgesucht. Gott ist in seinem Himmel, und mit der Erde ist alles in Ordnung. Was natürlich kein Körnchen Wahrheit enthält.«
    Maureen sagte ihm, was für eine hübsche, kleine Kirche das doch sei, und daß ihr die Proportionen sehr gefielen.
    »Klein, aber perfekt geformt, meinen Sie? Ha ha.«
    Maureen schaute mich mit hochgezogenen Augenbrauen an, im Schatten des Kirchenportals wirkte sie plötzlich blaß. Wir gingen hinein. Es waren mehr Leute da als beim letzten Mal. Ich erkannte die Ladenbesitzer, die Leute vom Kunsthandwerkszentrum und die Golfspieler, die bereits knieten, als wollten sie die Dinge vorantreiben, um möglichst bald auf ihr geliebtes Grün zu kommen. Auch etwa zwanzig Fremde waren anwesend, die meisten Senioren oder kurz davor, und sie saßen alle sehr aufrecht, als würden sie darauf warten, daß ihre Namen für eine unerfreuliche Begegnung aufgerufen würden, was sie, wie ich vermute, in gewisser Weise auch taten. Maureen wirkte ein wenig zu elegant in ihrer gelben Bluse, dem anthrazitfarbenen Kostüm und den ordentlich und edel neben und auf ihrem Kopf ondulierten Haaren, wie bei einer der verzückten Matronen bei der Opernübertragung vom vergangenen Abend. Im hier und dort durch die Fenster fallenden Sonnenlicht funkelte die Kirche, als wäre sie erst kürzlich gründlich geputzt worden. Wir gingen zu einer Bank etwa in der Mitte der Reihen, und Maureen kniete sich sofort hin und schloß mit hoch erhobenem Kopf die Augen. Ich beugte mich in Gebetshaltung vor und fing an, von einhundert rückwärts zu zählen. Als ich bei sechsundsiebzig war, murmelte ich: »Was immer das auch sein mag, laß es dauern.«
    Dann fing der Gottesdienst an, und das erste Lied war: »Neu jeden Morgen ist die Liebe.« Maureen sang laut, wie ich befürchtet hatte. Eigentlich war es eher so, als würde sie ein Solo singen, während wir anderen versuchten, murmelnd eine Art von Begleitung zu schaffen. Wenigstens einmal faßte ein jeder sie verdammt gut ins Auge, und der Vikar an der Orgel beugte sich ihr zu und nickte mit kreisendem Kopf, um sie zu

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