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Ein unauffälliger Mann - Chadwick, C: Ein unauffälliger Mann - It's All Right Now

Ein unauffälliger Mann - Chadwick, C: Ein unauffälliger Mann - It's All Right Now

Titel: Ein unauffälliger Mann - Chadwick, C: Ein unauffälliger Mann - It's All Right Now Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Chadwick
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Deutlichkeit das Anspannen ihrer Hinterbacken sehen konnte und unter dem Saum ihres Mantels muskelbetonte Waden, die so hart waren wie Fäuste. Ich weiß nicht so recht, ob es das trifft. Bei mir treffen Beschreibungen
nie so recht. In dem Augenblick war mir hauptsächlich ihr Aufstöhnen bewußt, dann meins, und das Funkeln in ihren großen schwarzen Augen, das Abscheu oder Wut hätte sein können. Vor allem wollte ich (na ja, fast ausschließlich) bei ihr etwas wiedergutmachen, was immer dieses Etwas sein mochte. Denn sie hatte auf mich gewirkt wie ein grausam behandeltes, kleines Mädchen, zumindest oberhalb der Taille. Sie hatte zu mir hochgeschaut, als hätte sie endlich die Grenzen ihrer Leidensfähigkeit erreicht.
    Ich ging nach draußen und zur Treppe ins Souterrain. Es waren steile, schmale Stufen, glitschig von nicht weggefegtem Laub. Außerdem wackelte der Handlauf. Unter dem Fenster standen zwei neue Mülltonnen, deren Deckel unten schräg angelehnt waren. Beide waren leer. Auf dem Fenstersims stand ein Topf mit etwas, das früher vielleicht einmal eine Geranie gewesen war, jetzt aber nur noch ein gegabelter Zweig mit drei verschrumpelten Blättern daran. Ich drückte auf die Klingel und nach etwa zehn Sekunden noch einmal. Durch die Stores konnte ich nichts erkennen, außer, in der Lücke zwischen ihnen, die kleine Statue eines Mannes, der sehr aufrecht auf einem Pferd saß. Ich wollte eben wieder gehen, als die Tür sich öffnete. Mein erster Eindruck von dem Polen war einer der Arroganz, und in diesem Augenblick erinnerte er mich an meine Mutter, auch wegen seiner müden Augen, die wachsam, aber erwartungslos schauten. Er war deutlich über Siebzig und trug einen neu wirkenden, dunklen Anzug, als wäre er eben auf dem Weg zu einer geschäftlichen Besprechung. Sein großes, kräftiges Gesicht schien nicht gemacht für irgendeine Art von Gefühlsausdruck, außer vielleicht Entrüstung. Die kurzen, grauen Haare waren nach hinten gekämmt, und im Schatten der Tür hatte sein Gesicht die gleiche Tönung, glänzend und metallisch. Er starrte mich eine Weile an, lange genug, um alles herauszufinden, was er je über mich würde wissen müssen.
    »Ja? Was kann ich für Sie tun?« sagte er schließlich mit einer Stimme, deren Bescheidenheit mich überraschte.
    »Entschuldigen Sie, daß ich Sie störe«, sagte ich. »Aber ich bin vor kurzem in die oberste Wohnung eingezogen, und eine meiner Lampen brennt nicht. Mr. Foster meinte ...«

    »Aber natürlich«, sagte er mit einer leichten Verbeugung und einem Lächeln voller Offenheit und Freundlichkeit. »Marek Bradecki. Das ist überhaupt kein Problem. Ich komme gleich zu Ihnen hoch.«
    »Ich bin Tom Ripple«, sagte ich. »Das ist wirklich äußerst freundlich von Ihnen.«
    Das Lächeln verschwand, und er zuckte die Achseln, wie um zu sagen, es sei nicht mehr als seine Pflicht und alle seien gleich. Dann schloß er die Tür, als wäre ich gar nicht mehr da.
    Auf dem Rückweg ins Haus hob ich meine Sonntagszeitung vom Vordertreppchen auf und sah daneben auch den Observer der Tänzerinnen liegen. Das war meine Chance, also nahm ich ihn mit und klopfte an ihre Tür. Dasselbe Mädchen öffnete mir, aber jetzt waren die Haare nach hinten gekämmt und mit einem dunkelgrünen Band zusammengefaßt, und die Haut war geglättet mit einer Schicht von irgendwas, das den Wangen oder den Höhlungen, wo sie hätten sein sollen, ein wenig Farbe verlieh. Inzwischen trug sie ein weißes T-Shirt: absolut kein Busen, wie ich vermutet hatte. Aber Brustwarzen, sehr unübersehbar. Ich hoffte, ich hatte sie von einem gigantischen Frühstück weggeholt.
    »Ihre Zeitung«, sagte ich. »Tut mir leid wegen vorhin. Ich wollte Sie nicht wecken, nachdem es bei Ihnen gestern später geworden ist.«
    »Ach, Sie sind es«, sagte sie und nahm die Zeitung mit einem ziellosen Stirnrunzeln, was mir den Mut gab zu sagen: »Ich hoffe, ich störe Sie nicht, wo doch der Boden oder die Decke, je nach Perspektive, so dünn ist.« Raffiniert, dachte ich, zwei Vögel mit einem Stein. Aber er fiel mir wieder vor die Füße.
    »Absolut nicht«, sagte sie mit Absicht. »Nehmen Sie einfach keine Notiz von uns.«
    Ihre Freundin tauchte hinter ihr auf, noch kleiner und bleicher und mit tiefen, schwarzen Schatten unter den Augen. Sie schien die Nacht durchgeweint zu haben. »Wer ist es denn?« fragte sie und dann: »Ach so!«
    Und dann wurde die Tür geschlossen. »Keine Ursache«, sagte ich davor. »Ich hatte

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