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Ein unauffälliger Mann - Chadwick, C: Ein unauffälliger Mann - It's All Right Now

Ein unauffälliger Mann - Chadwick, C: Ein unauffälliger Mann - It's All Right Now

Titel: Ein unauffälliger Mann - Chadwick, C: Ein unauffälliger Mann - It's All Right Now Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Chadwick
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jetzt zu spät, um es sich noch anders zu überlegen.
    Ich stand auf und sagte: »Ich schicke das alles weg und bringe Ihnen Kopien der Briefe. Es gibt wirklich nichts, worüber Sie sich Sorgen machen müßten. Ich habe die ganzen Akten auf dem Tisch geordnet, damit Sie wissen, wo was ...«
    Aber sie hörte mir nicht zu, sondern ging an mir vorbei, um mich zur Tür zu bringen. An der Wohnungstür hob sie die Hand und zog sie wieder zurück, sobald meine Finger die ihren berührten. Ihre Augen waren halb geschlossen, und sie schaute mich nicht an. Ich hatte sie nicht gefragt, wie sie leben würde oder ob sie irgend jemanden hätte, an den sie sich wenden konnte, denn sie hätte nicht verstanden, was mich das anging. Ich hatte meine Pflicht erfüllt und erwartete keine Dankbarkeit. Vielleicht wollte sie mir zu verstehen geben, daß sie durchaus wisse, wo meine Pflicht und Schuldigkeit endete. Oder schlimmer noch, daß sie meine Gleichgültigkeit verstand. Na ja, das war ihr Problem. Derart waren meine Gedanken — und die Scham, die sie auslösten, als ich den oberen Treppenabsatz erreichte und dort dem Mädchen begegnete, das ich vor ein paar Wochen gegrüßt hatte. Sie lächelte mich mit heftigem Schmachten an, vielleicht war es aber auch nur ein höfliches Lächeln.
    »Ah«, sagte ich, »ich war eben bei ... Ich hoffe ... Sind Sie, glauben Sie ...? Gibt es ...? Ich habe mich gefragt, ob es ... Bleiben Sie lange hier ...«
    Während ich diesen äußerst intelligenten Fragenkatalog herunterstotterte, lächelte sie mich weiter unverwandt an, was natürlich der Grund für meine Verwirrung war, ihre klaren(?) blauen Augen leuchtend vor Erwartung, das Aufblitzen der Zähne zwischen den Lippen, jedes zarte Fältchen ... »Sie wollen britische Staatsbürgerin werden, nicht?« konnte ich mir gerade noch verkneifen.
    »Ich bin nur für drei Monate hier für Kurzaufenthalt und Englischstudent. Ich bin sehr interessant an Ihrem Land.«
    »Ehrlich gesagt, Sie wären interessant in jedem Land.«
    »Wie bitte?«

    Das war nun ein Vorwand für ein Zwinkern oder was auch immer. »Sie arbeiten natürlich nicht, oder?« Dann das Zwinkern. Sie wandte den Blick ab.
    »Ich absolut nicht kann arbeiten, nur anschauen und Tourist und lernen Englisch.«
    Ich versuchte es noch einmal. »Mrs. Bradecki? Ist sie Ihre Verwandte? Ich frage mich, ob Sie zufällig wissen, wer jetzt für sie verantwortlich ist.«
    »Verantwortlich? Mein Verwandter, Mr. Bradecki, hat mich eingeladen als Gast. Er ist ein sehr netter Mann. Er schreiben, er ist verantwortlich.«
    »Jetzt nicht mehr, nein. Wer wird sich jetzt um Mrs. Bradecki kümmern, ich glaube, das ist es, was ich fragen will.«
    »Bald ich gehe nach Polen zurück. Ich bin Maria. Maria Wysinska.«
    Irgendwann im Verlauf dieses Wortwechsels war aus dem Lächeln ein schmallippiger Argwohn geworden. Warum setzten wir diese Unterhaltung nicht oben in meiner ... »Viel Geld verdient, hm?« fragte ich.
    Sie errötete. »Nicht viel Geld«, sagte sie.
    »Das ist auch Mrs. Bradeckis Problem, wissen Sie, deshalb habe ich mich gefragt ...«
    Sie runzelte die Stirn, was unsere Verlobung in noch weitere Ferne schob. »Mr. Bradecki sagen, er will kein Geld. Polen braucht Geld. Mein Freund will Geschäft aufmachen. Ich will gehen auf Sprachenschule.«
    »Ich wünsche Ihnen Glück«, sagte ich und machte etwas Anzügliches mit meinen Augenbrauen.
    Das heiterte sie wieder auf, und sie sagte: »Sie können auch in mein Land kommen. Mein Freund sagt, wir brauchen Auslandskapital und Börse, um Marktwirtschaft machen, und müssen Management lernen für Mittelstand, und Wirtschaft beherrschen mit Staatsfirma ist sinnlos.«
    »Wie’s klingt, gibt’s da eine ganze Menge, was man sich unter den Nagel reißen kann. Aber vielen Dank für die Einladung. Haben Sie vor ...«

    Doch nun verließ sie mich, und ich schaute ihr nach, wie sie die Treppe hinunterging und die Tür aufschloß. Keine Hoffnung für Mrs. B. aus dieser Richtung, dachte ich, aber für die Zukunft Polens vielleicht durchaus.
     
    Mrs. Bradeckis Angelegenheiten waren schnell geordnet. Jeder war hilfsbereit, alle Vorgänge wurden prompt erledigt. Ich besuchte sie noch einmal und richtete für sie ein einfaches Ablagesystem ein. Ich zeigte ihr, wieviel Geld sie noch hatte, zog aber keine Schlußfolgerungen daraus. Ein- oder zweimal sagte sie: »Ja, ich verstehe«, doch dabei schaute sie mich an, als würde sie von meinen Lippen ablesen, und strich mit

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