Ein unauffälliger Mann - Chadwick, C: Ein unauffälliger Mann - It's All Right Now
auch noch merkte. »Über den Kopf brauchen Sie mir die Decke noch nicht zu ziehen«, sagte ich. »Ach, da ist er ja«, sagte sie. Worauf ich mich sofort unglaublich viel besser fühlte und sogar den Mumm hatte, sie zu fragen: »Diese dreifachen Bypass-Geschichten, die funktionieren doch normalerweise gut, oder? Und der Doc, der hat eine hohe Erfolgsrate?« »Hundert Prozent«, erwiderte sie. »Sie würden es mir nicht sagen, wenn’s eher im Bereich von zehn Prozent wäre, hm?« Sie tippte mir äußerst keß auf die Nase. »Da können Sie Gift drauf nehmen. Aber jetzt erst einmal eine gute Nacht, und diese Diskussion setzen wir dann morgen fort.« So ein hübsches Mädchen war sie, daß ich mich fast noch, als letzte Tat in meinem Leben, verliebt hätte. Und, zugedröhnt mit Medikamenten, wie ich inzwischen war, stellte ich ihr noch eine weitere Frage: »Sagen Sie mal, Schwester, wenn Sie sicher wären, daß ich den Löffel abgebe, und ich Sie bitten würde, den Vorhang zu- und sich auszuziehen, wie würden Sie dann reagieren, wo Sie doch die Pflicht haben, sich um das Wohlergehen Ihrer Patienten zu kümmern?« Wobei ich das allerdings, wie ich vermute, in weit weniger Worten sagte, und die auch noch in der falschen Reihenfolge. »Ach, Mr. Ripple, bei Ihnen würde ich noch sehr viel weiter gehen, bestimmt. Eigentlich schade, daß Sie den Löffel noch nicht abgeben, was?« »Da muß ich jetzt direkt drüber nachdenken ...«, erwiderte ich. Inzwischen war ich schon sehr schläfrig und hatte ein bißchen weniger Angst, und mein letzter Gedanke, bevor ich wieder aufwachte und alles
vorbei war, war, wie schön es doch ist, wie krank man auch sein mag, anderen völlig ausgeliefert zu sein, die genau wissen, was das Beste für einen ist, und wenn Sie irgendwas brauchen, läuten Sie einfach. Nicht wie im richtigen Leben.
Ich glaube nicht, daß ich noch mehr über meine Herzprobleme schreiben muß. Diejenigen, die das schon einmal durchgemacht haben, müssen nicht daran erinnert werden, und die anderen werden sich lieber davor drücken wollen, als könnten sie sich dadurch vorm Leben drücken, ein Trick, den ich erst noch lernen muß.
Also weiter in der Geschichte. Am zweiten Tag nach meiner Rückkehr aus Polen kam Foster vorbei. Er war ganz der Alte, der leere Starrblick am Rande des Zorns und der grelle, nicht zusammenpassende Aufzug, diesmal eine schwarz und gelb karierte Weste, ein goldenes Cordsakko und eine leuchtendrote Krawatte wie ein Blutfleck. Er setzte sich in meinen Sessel, lehnte sich zurück und streckte mir die hohle Hand entgegen zum Zeichen, daß er einen Drink erwartete.
»Na, Ripple, sind Sie Madam Polack endlich losgeworden im Land ihrer Vorväter?« Ich sagte, daß ich es nicht so genau wisse. »Na, dann sollte sie sich aber ziemlich fix drüber klar werden in ihrem trübsinnigen slawischen Schädel. Ich will die Wohnung nämlich in die Zeitung setzen.«
»Lassen Sie sich noch ein oder zwei Wochen Zeit«, sagte ich und gab ihm seinen Drink.
»Na gut. Aber achtzig Pfund sind das absolute Minimum. Man soll mit seinen Pfunden wuchern, heißt’s doch schon in der Bibel, wenn Sie wissen, was ich meine.«
»Weiß ich.«
Er starrte mich an, als erwartete er mehr von mir. »Sie sehen nicht gerade aus wie das blühende Leben, wenn ich das sagen darf. Sie haben es doch nicht übertrieben, oder, irgendeinen gräßlichen polnischen Bazillus aufgeschnappt?« Ich schüttelte den Kopf, goß mir ebenfalls einen Drink ein und zündete mir eine Zigarre an. Eine Pause entstand, da er kurz die Augen schloß und sich mit den Fingern auf die Stirn trommelte. Als er mich wieder anschaute,
hatte er für einen kurzen Augenblick Verwirrung in den Augen, als hätte er etwas vergessen. Dann kehrte die alte, unterdrückte Heftigkeit wieder zurück, und er sagte: »Wissen Sie, in der sogenannten guten, alten Zeit, als wir unsere Nasen in den dunklen Kontinent steckten, da konnte es ewig dauern, bis man einen Arzt zu Gesicht bekam. Meine Frau zum Beispiel bekam Malaria. Über vierzig Fieber. Mußte es einfach ausschwitzen und die Tabletten nehmen. Wochenlang war sie das reinste Wrack. Selber schuld, daß sie ihr Novaquin nicht nahm. Armes, altes Mädchen. Dann brach ich mir den Arm, bin vom Baum gefallen, wenn Sie es unbedingt wissen wollen. Zwölf Stunden in einem Landrover auf holprigen Lehmpisten zu Beginn der Regenzeit. Sie wissen gar nicht, was für ein Glück Sie haben. Ich könnte Ihnen da ein paar Geschichten
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