Ein unauffälliger Mann - Chadwick, C: Ein unauffälliger Mann - It's All Right Now
schaute mich um.
»Sie machen sehr nett für mich.«
»Das ist doch nichts. Ein bißchen Staub wischen, die Teppiche ausklopfen ...«
»Nein, bitte ...«
Ich berichtete ihr nun von der Elektrizitätsrechnung, in die sich offensichtlich ein Fehler eingeschlichen hatte, außer sie schuldete den Stadtwerken tatsächlich 4 786 296 Pfund. Ich holte sie hervor und sagte streng und mit erhobenem Zeigefinger: »Sie müssen wirklich daran denken, den Herd auszuschalten, oder habe ich vielleicht den Staubsauger angelassen?«
Sie starrte die Rechnung lange an. »Was soll ich tun?« fragte sie.
»Geld von der Bank borgen.«
Ich stand hinter ihr, und sie griff hinter sich und berührte meinen
Arm. »Manchmal sind Sie wie mein Mann, versuchen Witze zu machen.«
Dann ging ich zur Tür, und sie erhob sich und stand dann einfach da, die Hände an den Seiten, den Kopf erhoben. »Vielen Dank, Mr. Ripple«, sagte sie. »Sie sehr freundlich zu mir. Ich glaube nicht, Sie besser auf Pferde. Ich glaube, Sie haben sehr gute Beine.«
Ich schnalzte ein paarmal mit der Zunge und stieß dann ein langes Wiehern aus. Sie schaute verwundert und hob sich die Hand vor den Mund, und ich ging. Das war’s. Kein Wort von irgendeiner Bedeutung war gesagt worden und ist es auch seitdem nicht. Bald sollten wir Verschwörer werden.
Ungefähr eine Woche später zeigte sie mir einen Brief, in dem stand: »Ich bin eine Freundin von Maria, die sagt, Sie können mir Einladungsbrief in Englisch geben, daß ich für zwei Monate Ihr Gast bin und zahle für Verpflegung und Unterkunft. Wenn Sie einverstanden sind, Maria sagt, Mr. Ripple wird richtigen Brief schreiben für mein Visum und andere Freundin. Mr. Ripple, sie sagt, ist sehr hilfsbereit und ein Freund Polens.«
Ich habe inzwischen mehrere derartige Briefe geschrieben, in denen ich dies bestätigte und das bekräftigte. Einige tragen ihre Unterschrift, einer oder zwei die meine, und gestern habe ich sogar Fosters gefälscht. Jane hat einen unterschrieben. Inzwischen kommen die jungen Leute, aber nie mehr als drei auf einmal. Sie scheinen sehr schnell Arbeit zu finden. Einige sind nur für ein paar Tage geblieben und dann gleich wieder verschwunden. Ich habe Mrs. B. gesagt, sie müsse unbedingt auf Miete bestehen. Ich gehe hinunter, um sie kennenzulernen. Sie alle schütteln mir sehr energisch die Hand, zumindest die Jungs. Die Mädchen lassen mich kurz ihre Hand halten, und die Finger wirken immer kalt und zerbrechlich. So wirkt der Rest von ihnen allerdings absolut nicht, und, o Gott, ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie sehr sie sich alle freuen, mich kennenzulernen, das Strahlen in ihren Augen, ihre Dankbarkeit, die Sehnsucht, was soll denn der ganze Quatsch, würde Foster jetzt sagen, und für so was gibt’s keinen Bypaß, und hör auf, Scheiße zu denken.
Wie auch immer, eines nicht allzu fernen Tages wird ein Beamter des Innenministeriums in Begleitung von Polizisten auftauchen und mich einladen, mein Vorgehen zu rechtfertigen. Dann werde ich sagen, daß es absolut schändlich ist, ein solches Gesindel hereinzulassen, damit sie unser schönes Land besudeln, auch wenn sie nur arbeiten wollen und einige sogar einheiraten, und was könnte verdorbener sein als das? »Scheiße«, werde ich sagen, während sie mich aufs Revier bringen, »das muß man sich mal vorstellen, all diese jungen Polen überall im Land, sind doch alles nur Schnorrer und Gauner und Tagediebe, die einem das ganze Viertel versauen können. Soziale Umweltverschmutzung, nichts anderes ist das, als hätten wir nicht schon genug Ausländer im Lande, die nur Probleme machen. Daß das Königshaus ihren Präsidenten mit geschmückten Pferden und Männern in lustigen Kostümen empfängt, ist eine Sache, aber daß sie dann gleich auf die Idee kommen, sie wären bei uns willkommen ... Tschechen und Ungarn und Litauer ist eine Sache, aber Polen, mein Gott, ich bitte Sie. Und kommen Sie mir jetzt bloß nicht mit der Geschichte ...«
Wieder ist Zeit vergangen. Es dauerte eine Weile, Fosters Nachlaß zu sichten, und das habe ich ausgenutzt und einen der polnischen Jungs dafür bezahlt, daß er eine Treppe von Mrs. Bradeckis Wohnung zum Garten baut. Sie arbeitet unermüdlich dort und wirkt wahre Wunder. Die dunkelbraune Erde ist frisch umgegraben und gejätet, und in wohlbedachten Abständen sind Blumen und Sträucher gepflanzt. Es gibt Mauve und Weiß und Gelb und die unterschiedlichsten Grüntöne. Gestern erblühte etwas
Weitere Kostenlose Bücher