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Ein unauffälliger Mann - Chadwick, C: Ein unauffälliger Mann - It's All Right Now

Ein unauffälliger Mann - Chadwick, C: Ein unauffälliger Mann - It's All Right Now

Titel: Ein unauffälliger Mann - Chadwick, C: Ein unauffälliger Mann - It's All Right Now Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Chadwick
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erzählen. Die Afs, mein Gott, die müssen was gelitten haben, so meilenweit von allem entfernt, die meisten hatten ja irgendwas, und manchmal schlitzten sie sich auch gegenseitig auf, wenn Sie wissen, was ich meine. Ein verdammtes Glück. Zahnschmerzen. Bingo! Und jetzt müssen sie einen nicht mal mehr aufschneiden, sie machen es mit Lasern. Da rentiert sich’s ja kaum noch, krank zu sein. In Afrika durfte man nicht krank sein, das kann ich Ihnen sagen. Mit Dickenson war bis zu einem gewissen Punkt alles in Ordnung, aber wir wissen ja alle, was mit ihm passiert ist, der arme Kerl. Hat meine Frau umsonst gepflegt, das muß ich ihm zugute halten. Laß nichts kommen über ihn. War ihm ja auch verdammt dankbar, nicht, daß er meine Frau wieder auf die Beine gebracht hatte, bis zu einem gewissen Grad. Und wenn das bedeutete ... was soll’s. Und dann bringt Dickenson sich selber um, und sie verliert das Baby. Wessen, höre ich Sie fragen. Langweile ich Sie? Sie brauchen’s doch nur zu sagen.«
    Ich schüttelte den Kopf, obwohl ich mich inzwischen deutlich unwohl fühlte; was mir bevorstand, schickte die ersten Warnsignale aus. Er beugte sich vor und streckte die Hand aus, als hätte er mich, wenn ich näher dran gewesen wäre, beim Kragen gepackt.
    »Aber mal abgesehen davon, wir hatten schon eine tolle Zeit damals, das offene Land, die Sterne, die Sonne, von der ein bißchen
zuviel, und daß man ja tatsächlich was erreichte, bessere Ernten, gesundes Vieh, Leben retten. Dickenson war eigentlich ein verdammter Held, und auch ein bißchen Bildung, aber wir wissen ja, wohin das führt, nicht, daß die Politik uns von dort hinauskomplimentiert hat, aber dagegen kann man kaum etwas sagen, nicht? Wobei jeder, der bleiben wollte, es auch konnte. Haben wir für eine Weile getan, oder ich hab’s getan, ein bißchen Unterrichten, Wildereikontrolle, was gegen die Tse-Tse-Fliegen, aber irgendwann muß man mal was Neues anfangen. Also zurück hierher. Die Frau hatte was auf der hohen Kante und dazu mein goldener Handschlag, den Batzen, wie man das damals nannte. Ja, so war das. An Tagen wie heute vermißt man es schon, in diesem nebligen, feuchten, fiesen kleinen, kalten kleinen, langweiligen kleinen, steifen alten England. Aber jetzt heißt es, daß da unten wieder alles in Scherben liegt. Man kann nicht gewinnen, was? Und auch noch AIDS, als hätten die armen Schweine nicht schon genug ... Schöne Scheiße, das sage ich Ihnen ...«
    So plapperte er weiter, und seine Stimme wurde immer leiser und fast unverständlich. Noch zweimal füllte ich sein Glas, aber er schien es kaum zu bemerken, starrte nur zum Fenster hinaus und trommelte sich hin und wieder auf die Stirn. Schließlich ging er so abrupt, wie er gekommen war. An der Tür legte er mir die Hand auf die Schulter und sagte mit unvermittelter Sanftheit: »Passen Sie auf sich auf, Ripple, ich würde es tun, wenn ich Sie wäre. Sie sehen aus, als würden Sie versuchen, das Leben zu genießen.«
     
    Das war das letzte Mal, daß ich ihn sah. Er tat es am Abend meiner Operation. Weit draußen in einem Moor in Yorkshire mitten in der Nacht, mit einem Schlauch vom Auspuff in die Kabine. Annelise erzählte es mir, als sie mich im Krankenhaus besuchte. Die Polizei war mit einem Anwalt oder dergleichen vorbeigekommen. Abschiedsbrief hatte es keinen gegeben, zumindest damals nicht. Der Anwalt, erzählte sie, habe ihr gesagt, daß seine Frau seit vielen Jahren in einer Nervenklinik sei und daß das, was ihr fehle, sich durch einen schnell fortschreitenden Alzheimer nicht
gerade verbessere. Der Abschiedsbrief war eigentlich ein Brief an mich, und den erhielt ich erst nach meiner Rückkehr aus dem Krankenhaus. Ich glaube, Annelise hatte die Handschrift erkannt, aber sie wollte das Risiko nicht eingehen, mich noch mehr aufzuregen. Allzuviel stand nicht drin.
    Lieber Tom, wenn ich so sagen darf,
     
    was ich vorhabe, ist wirklich verdammt selbstsüchtig, das brauchen Sie mir nicht zu sagen. Aber der Frau dürfte es ziemlich egal sein. Halten Sie die Wohnung in Schuß. Am Anfang liebte sie sie sehr, ihren Krimskrams überall und im Garten herumwerkeln, bis sie dann nicht mehr wußte, daß er ihr gehörte, und anfing, herumzuirren und auch in den Gärten anderer Leute zu werkeln. Könnte keinen anderen dranlassen. Ich muß immer noch an die Zeit damals am Anfang denken, wie sie aus dem Nichts so einen wunderschönen Garten zauberte und wie sie an einem Swimmingpool kauerte und mit den

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