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Ein unauffälliger Mann - Chadwick, C: Ein unauffälliger Mann - It's All Right Now

Ein unauffälliger Mann - Chadwick, C: Ein unauffälliger Mann - It's All Right Now

Titel: Ein unauffälliger Mann - Chadwick, C: Ein unauffälliger Mann - It's All Right Now Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Chadwick
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obwohl er wußte, daß das ebenso unwahrscheinlich war wie ein plötzliches Aufreißen der Wolken und Sonnenstrahlen im Gesicht. Einmal schaute er mich an, als wollte er sagen: »Du brauchst es mir nicht zu sagen: Deine Tochter hat einen vollkommenen Trottel geheiratet. Es tut mir leid, ich habe jeden enttäuscht.« Wie gern hätte ich ihm gesagt, daß er mich nicht enttäuscht hatte, daß er nicht in Selbstmitleid versinken dürfe, daß er das Leben am Kragen packen und ihm in die Augen schauen müsse, daß, wie ich es irgendwo gelesen hatte, der beste Ausweg immer der Weg mittendurch ist, daß er den Tag nützen müsse und nie den Mut verlieren dürfe ... Dieses ganze hochtrabende Gewäsch, von dem sogar ich weiß, daß es die Tiefe der Verzweiflung nie berührt. Er erinnerte mich an Hipkin vor so vielen Jahren, völlig unerreichbar. Außerdem war ich mir sicher, daß Virginia ihm jede Unterstützung gab, die sich ein Mann nur wünschen konnte. Aber natürlich war es sein Stolz, den er wiedergewinnen mußte. Nicht dem Leben sollte er in die Augen schauen, sondern anderen Menschen. Wie konnte ich ihm nur beibringen, daß ich ihn schätzte, egal, was andere vielleicht dachten, daß Vermittelbarkeit nicht alles ist. Doch ich sagte gar nichts, bis auf »Viel Glück bei der Jobsuche«, als er sich verabschiedete.
    »Danke«, entgegnete er.
    »Mach dir keine Sorgen wegen uns«, fügte Virginia hinzu.
    »Solange ihr euch keine wegen mir macht«, dachte ich — doch statt dessen faßte ich Richard am Ellbogen und sagte: »Das kommt schon alles wieder in Ordnung, da bin ich mir ganz sicher.«

    Als sie ins Auto stiegen, verfluchte ich mich, weil ich ihnen kein Geld angeboten hatte. Das wäre das mindeste gewesen, was ich hätte tun können. Stolz bedeutete, daß sie mich nicht darum bitten konnten. Hätten sie es aus demselben Grund auch nicht annehmen können? Der Stolz ist die schlimmste aller Sünden, wie es so schön heißt. Manchmal muß man ihn einfach hinunterschlucken. Ich schaute in ihre Gesichter, als er das Autofenster herunterkurbelte und sie ein letztes Mal winkten, die Kinder für einen Augenblick wirklich süß und liebenswürdig. In diesem Augenblick brach kurz die Sonne durch, und ich dachte an diesen Tag in Suffolk, als ich ihn kennenlernte, das brandneue, hochglanzpolierte Auto, die Aufregung ihrer jungen Liebe, die Zukunftsaussichten, als die Zeit nur etwas war, was sie alle wahr machen würde. Was für ein Lächeln hatte er mir damals durch das geöffnete Autofenster zugeworfen. Wie verwundbar, wie verletzt war sein Ausdruck jetzt. Das einzige, wobei ich mir tatsächlich ganz sicher war, war meine Befürchtung, daß mit ziemlicher Sicherheit nicht wieder alles in Ordnung käme.
    Als sie davonfuhren, fing ich an zu schlucken — genug Stolz für uns alle, und zurück blieb nichts als ein leeres Glas und ein nackter Teller. Oder war es überhaupt nicht Stolz, sondern nur das, was sich zu Tränen hätte auswachsen können ...
    Wie einfühlsam mich das klingen läßt. Aber ich muß versuchen, aufrichtig zu sein. Ich habe meinen Stolz. Die Notiz endet mit: »Habe mich vorwiegend über ihn geärgert. Sei nicht so ein Weichei. Hör auf mit diesem Selbstmitleid. Schwing dich auf dein Rad. Wo ist denn dein Stolz, um Himmels willen?«
    Ich erinnere mich jetzt, daß später doch noch ein paar Tränen flossen. Aber die hatten nichts mit Richard zu tun. Es war viel einfacher. Ich dachte an Virginia, ihren beständigen Kummer, die Art, wie sie ihn anschaute, seine Demütigungen mit ihm teilte, und daß ich dann in ihrem Gesicht das verletzliche Kind sah an dem Tag, an dem sie mir sagte, daß Mrs. Hamble im Sterben liege, oder im Krankenhaus nach diesem Autounfall oder bei ihrem Kicheranfall bei Harrods, als wir dann beide nicht mehr wußten, ob sie lachte oder weinte — unzählige solcher Situationen, ein Bild,
das sich über das andere legte, immer nur leicht verändert, die endlosen Schichten des Kummers ... Nun ja, Annelise, man kann nicht anders, als seine Kinder zu lieben, wie du inzwischen vielleicht selber weißt. Jahr um Jahr ändern sie sich, werden verloren und wiedergefunden, aber wie ihre Sorgen auch beschaffen sein mögen, darin ist weder Veränderung noch Trost.
     
    Es gibt wirklich einiges nachzureichen, was mich übrigens auf die Idee brachte, meine Schreibmaschine zu ölen, mir ein neues Farbband und Schreibpapier zu kaufen und meine Notizen zumindest in eine Art von chronologischer Ordnung zu

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