Ein unauffälliger Mann - Chadwick, C: Ein unauffälliger Mann - It's All Right Now
normal klingen zu lassen, aber sie hatte etwas Heiseres, Atemloses an sich, als müßte sie ihre Sätze aufteilen, um die Stimme wieder zu Kraft kommen zu lassen. Dadurch klang sie jedoch irgendwie flirtend.
Sie war es auch, die genau das zur Sprache brachte. »Adrian sagt, daß meine Stimme in letzter Zeit sehr sexy klingt.«
»Jetzt, da du es erwähnst.«
»Ironisch. Ich würde sterben, nur um dich anzumachen.«
»Ist der Spruch von dir?«
»Nein, von Adrian. Er meinte, das sei gerade gräßlich genug für dich ...«
»Ich habe nicht den geringsten Schimmer, wovon du eigentlich sprichst«, sagte ich.
Aber Adrian übernahm eben den Hörer, und so bekamen beide diesen Satz nicht mit. Er sagte, er müsse jetzt ziemlich schnell auflegen, weil der Arzt gekommen sei ...
Hier endet der erste Bericht. Die restlichen Seiten wurden einige Monate nach der Bestattung geschrieben, auch wenn ich immer mal wieder einige Notizen kritzelte, wenn die Echos und die Bilder unerträglich wurden. Soweit ich mich erinnere, wollte ich die Sache abgeschlossen haben, da mir meine mangelnden Ausdrucksmöglichkeiten
immer deutlicher bewußt wurden, wie auch meine langsam verblassende Trauer — dieses Hinnehmen, das sie sich für uns alle so wünschte.
Das Ende kam schneller als erwartet. Adrian rief an und sagte mir, sie sei friedlich während der Nacht gestorben, und teilte mir dann noch den Kremationstermin mit. Friedlich. So sagt man doch immer, obwohl man nicht weiß, welche Alpträume diese Nacht noch gebracht haben mochte und welche Selbstvorwürfe wegen Sachen, die man gesagt und getan oder nicht gesagt und getan hatte.
Ich ging vom Bahnhof direkt zum Krematorium. In der Vorhalle begrüßten mich Janes Eltern, als wäre ich derjenige, über dessen Kommen sie sich am allermeisten freuten. Ich habe sie früher schon einmal erwähnt, zu kurz, aber über Leute wie sie gibt es eben nicht allzuviel zu sagen. Genau die Art von Leuten, wie man sie bei jemandem wie Jane als Eltern erwarten würde. Und andersherum genauso. Stille, professionelle, durch und durch anständige Leute mit Pflichtgefühl der Welt gegenüber. Sie waren verzweifelt. Adrian stellte mir Janes jüngeren Bruder vor, ein dicklicher Mann mit Brille und dem Gesicht eines eifrigen Jungen. Man sah ihm an, daß er normalerweise sehr viel lachte. Er war an jenem Weihnachtsfest nicht zu Hause gewesen, weil er in Afrika gewesen war, ich glaube, Sambia, als Freiwilliger im sozialen Auslandsdienst. In diesem Haushalt hatte es früher sicher sehr viel Fröhlichkeit gegeben, jetzt nicht mehr. Mir ging die Frage nicht mehr aus dem Kopf, ob Adrian einen irgendwie dämpfenden Einfluß auf sie gehabt hatte. An jenem Weihnachtsfest hatte er ziemlich nervös gewirkt — das hatte mit Sicherheit auch mit meiner Anwesenheit zu tun. Ich erinnerte mich daran, daß Adrian mir erzählt hatte, Jane und ihr Bruder würden sehr oft und sehr lange miteinander telefonieren und Jane würde dabei dauernd den Kopf schütteln oder in lautes Gelächter ausbrechen. Es waren noch ungefähr dreißig andere Trauergäste anwesend. Ich fragte Adrian, ob Virginia auch komme, aber er sagte, sie habe sich nicht freimachen können. Wegen der Kinder.
Als wir die Kapelle betraten, war vom Band schlichte Klaviermusik zu hören. Etwas, das man ziemlich oft hörte. Ich glaube, von Bach ... Ich erwartete, daß irgendein Vikar die Zeremonie leitete, statt dessen stand aber Janes Bruder auf und zog ein zusammengefaltetes Blatt aus der Tasche, auf das er jedoch nur einmal schaute. Er sprach sehr stockend und sah dabei zu Boden oder zur Decke. Was er auch vorbereitet haben mochte, es erschien ihm in diesem Augenblick nicht mehr sinnvoll. Ich kann mich nicht mehr an alles erinnern.
Er sagte, Jane habe nicht an Gott geglaubt, aber es gebe Leute, die es täten und jetzt überzeugt seien, daß sie unterwegs zu einem besseren Ort sei. Für sie, ihre geliebten Freunde und Verwandten, habe sie gehofft, daß sie anstelle eines christlichen Gottesdienstes einige Lesungen aus der Schrift in der alten und wunderbaren Sprache akzeptieren würden, die Tyndale uns hinterlassen hatte — das war die Stelle, wo er auf sein Blatt schaute –, denn das hätten alle gemeinsam. Die Musik, die sie hören würden, wenn sie dann endgültig von ihnen ginge, habe der Komponist geschrieben, als er erst neunzehn Jahre alt war, vielleicht inspiriert von Gedanken an seine Mutter, die vier Jahre zuvor gestorben war. Zum Abschluß
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