Ein unauffälliger Mann - Chadwick, C: Ein unauffälliger Mann - It's All Right Now
um und stutze die Sträucher. Ich habe sogar den Zaun gestrichen. Phil Badgecock und Mrs. Hirst verwenden wie alle anderen in der Straße nur minimale Mühe auf ihre Vorgärten. Die armen Tomkins. Ein Vorbild zu sein, dem niemand folgt — ein Heiligenschicksal.
Eines Tages blieb ich an ihrem Zaun stehen, als sie gerade im Garten war, und sagte zu ihrem gebeugten Rücken: »Na, haben wir uns schon eingelebt?«
Sie stand auf, wischte sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht und lächelte dann schnell, als würde sie es gleich bereuen. Ihr Ausdruck wirkte vage und leicht erschrocken, als wäre sie eben aufgewacht und wüßte jetzt nicht, wo sie war.
»Sie haben mir einen ziemlichen Schrecken eingejagt ... Ja, vielen Dank.« Sie fing an, sich die Hände zu reiben. Ich hätte etwas Abschließendes sagen und dann weitergehen sollen, hätte irgend etwas sagen sollen, aber ich war abgelenkt von diesen Händen. Sie schaute sich um und sagte atemlos: »Ich fürchte nur, ich mache hier keine so großen Fortschritte. Aber ich hätte gern, daß er hübsch aussieht ... Eines Tages vielleicht sogar ein Vogelbad.«
Noch immer ging ich nicht weiter, diesmal, weil hinter ihr ein
Store aufgezogen wurde und ein Gesicht erschien. Es war das Gesicht einer jungen Frau, die anscheinend geweint hatte, es hätten aber auch nur Flecken auf dem Fenster sein können. Der Mund ging langsam auf und schloß sich wieder, vielleicht sagte sie etwas. Die Frau bemerkte meinen Blick, drehte sich um und eilte dann zum Haus, als hätte sie für einen Augenblick völlig vergessen, daß ich da war. An der Tür schaute sie sich noch einmal um. Diesmal schenkte sie mir ein echtes Lächeln.
»Vielen Dank, daß Sie vorbeigeschaut haben.« Dann wiederholte sie: »Ich will wirklich, daß er hübsch aussieht.«
Im Weitergehen wurde mir bewußt, daß es gar kein echtes Lächeln gewesen war. Es war, wie Leute lächeln, wenn sie verlegen oder gedemütigt sind.
Am Ende der Straße blieb ich stehen, um ein paar Worte mit dem Elektriker zu wechseln. Er polierte eben seinen Transporter und schien bester Laune zu sein. Auch in seinem Garten stand, wie in Rosies, ein Motorrad, allerdings in weniger zerlegtem Zustand. Ich fragte ihn, wie das Geschäft laufe. Er gehört zu denen, die sich so etwas sehr gern fragen lassen.
»Ach, gut, Professor, wirklich sehr gut. Mehr Arbeit, als ich schaffen kann.«
»Mit der Familie alles in Ordnung?«
»Läuft alles bestens.«
»Na, bei Ihrem Beruf sollten Sie sich damit ja auskennen.«
Er ignorierte das und schaute zu Nummer 27 hinüber. »Habe gesehen, daß Sie mit ihr geredet haben. Geht mich ja nichts an, wissen Sie, aber ich habe ein paar Kabel für sie verlegt, und da kam dieses Summen aus einem Schlafzimmer. Na, eher ein Stöhnen.«
»Es gibt ja heutzutage alle möglichen Religionen. Yoga, Meditation, Hare Krishna. Man sieht ja überall Plakate dafür.«
»Dann war’s wohl eher das. Ich habe ja so meine Probleme mit diesen Dingen. Herumsitzen, beten und so.«
»Hab auch keinen heißen Draht zu solchen Sachen.«
Er schaute mich kurz an, um sich zu versichern, daß ich ihn nicht auf den Arm nahm. »Meine Frau ist religiös. Katholisch. Da muß schon mindestens der Heilige Geist persönlich die Leitungen
verlegen, sage ich zu meiner Frau immer, bevor ich mir dieses Licht einschalte.«
Und damit polierte er weiter seinen Transporter. Seine Frau schaute ihm vom Fenster aus zu, mit einem Baby in den Armen. Sie lächelte breit, aus irgendeinem Grund oder aus keinem speziellen, außer daß sie glücklich war. Lief wohl wirklich alles bestens. Hier brannte keinem eine Sicherung durch. Ich ging weiter, vorbei an dem Haus, in dem das Paar beim Einzug einen furchtbaren Streit gehabt und sich dann wieder vertragen hatte. Ich hörte laute Stimmen und ging schneller, für den Fall, daß sie zum Fenster hinausschauten und mich herumlungern sahen. Das einzige, was ich verstand, zuerst in ihrer, dann in seiner Stimme, war: »Fick dich.« Was, wie ich vermutete, weit entfernt war von dem, was sie tatsächlich taten.
Von Zeit zu Zeit erhaschte ich, wie gesagt, einen Blick auf die andere Frau, die in Nummer 27 wohnte, wie sie zum Auto oder von ihm weg eilte, immer dicht bei ihrer Mutter, falls die ältere das wirklich war. Sie war sehr dünn, aber nicht groß, und für gewöhnlich trug sie einen langen Rock mit Blumenmuster in herbstlichen Farben und, im krassen Gegensatz dazu, eine schäbige, braune, nach Leder aussehende
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