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Ein unauffälliger Mann - Chadwick, C: Ein unauffälliger Mann - It's All Right Now

Ein unauffälliger Mann - Chadwick, C: Ein unauffälliger Mann - It's All Right Now

Titel: Ein unauffälliger Mann - Chadwick, C: Ein unauffälliger Mann - It's All Right Now Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Chadwick
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Glück wird davon fortgespült. Diese Erfahrung machen wir alle früher oder später. Was als Glück begann — das Lächeln auf dem Gesicht –, wurde uns gestohlen. Der Kummer verhärtet sich und wird zu Diebstahl ...
    Auf diese Art versuche ich, meine Gedanken weniger persönlich, weniger repetitiv zu machen, wenn ich an unsere Urlaube am Meer ein Stückchen weiter nördlich denke, versuche, Details einzufügen oder sie einfach kommen zu lassen. Vergangene Zeiten. Glück, das zu Kummer wird usw. wie oben: Adrians knubbelige Knie, das Knospen von Virginias Brüsten, die anhaltende tolerante Gelassenheit meiner Frau, die zwei stinkenden, großen Hunde, die im Speiseraum unserer Pension herumlagen, der Sand in den Sandwiches — Erinnerungen ohne Ende, die immer wieder zu den Gesichtern von Adrian und Virginia zurückkehren, völlig sorgenfrei. Vor dem Ende der Unschuld ...
     
    So waren also meine Gedanken an diesem späten Augustnachmittag, als ich auf der Promenade auf meinen Bus wartete und
mich dabei zu erinnern versuchte, ob ich Adrian geholfen hatte, eine Sandburg zu bauen, wie wir ihnen das Schwimmen beigebracht hatten, was wir in den Läden und Ständen gekauft, uns zu kaufen geweigert hatten ...? Plötzlich überwältigte mich die Müdigkeit, und ich mußte ein Stück von der Haltestelle weggehen, um eine Bank zu finden. Vor lauter Atemlosigkeit vergaß ich die Vergangenheit, und ich konnte nur noch daran denken, wie ich mich vor noch gar nicht allzu langer Zeit auf das Gartenmäuerchen eines Fremden setzen mußte, weil ich keine Luft mehr bekam. Damals wie jetzt hatte ich Angst. Das Gemisch der Gedanken hatte damals unter dem Sternenlicht ganz anders geendet: Es muß einfach einen Gott geben. Jetzt nicht. Ganz und gar nicht ... Das Ganze ist eine komplette Farce, und alles andere ist Selbsttäuschung. Auch wenn die Mischung der Gedanken eine ganz andere war, die Angst war dieselbe.
    Eben als ich beschlossen hatte, daß mein Ende nun doch nicht nahe sei und ich mein abschließendes Urteil über die Existenz noch ein wenig aufschieben konnte, tauchte am anderen Ende der Promenade mein Bus auf. Ich wollte eben aufstehen und zur Haltestelle zurückgehen, als ich eine schwarzhaarige Frau am Wasserrand entlanggehen sah. Sie trug ein knöchellanges, grünes Kleid und schwang die Arme, einen schwarzen Schuh in jeder Hand. Inmitten der wimmelnden Menge, und da meine Gedanken mit anderem beschäftigt waren, hätte ich sie normalerweise gar nicht bemerkt. Doch während sie mit langen Schritten, den Kopf hoch erhoben, über den Strand ging, hielt das Treiben um sie herum für einen Augenblick inne, als hätte sie alle verzaubert. Einige starrten sie verärgert an, denn sie marschierte mitten durch die diversen Aktivitäten, Bälle oder Ringe werfen, Fußball oder Kricket spielen, hindurch. Zweimal hätte sie beinahe eine Sandburg zertreten. Es sah aus, als würde sie um sich herum eine unsichtbare Wolke des Schweigens erzeugen. Doch kaum war sie vorbei, wurden die Aktivitäten wiederaufgenommen, als wären sie nie unterbrochen worden.
    Immer weiter marschierte sie, und ich merkte, daß ich ihr auf der Promenade folgte. An den Bus dachte ich überhaupt nicht mehr. Ich mußte schnell gehen, fühlte mich jetzt aber überhaupt
nicht mehr müde. Kurz vor dem Ende des Strands drohte ihr ein Mann mit der Faust, weil sie seine Sandburg zertreten hatte, aber sie ignorierte ihn völlig. Sie sah und hörte nichts. Erst jetzt erkannte ich an ihrer Kopfhaltung, das Kinn vorgestreckt, das Gesicht im Wind, daß es die junge Frau war, die in der Kirche so wunderschön gesungen hatte, die Tochter aus Nummer 27.
    Als sie das Ende des Strands erreicht hatte, bog sie scharf in Richtung Promenade ab, blieb dann plötzlich stehen und drehte ihr Gesicht dem Meer zu. Völlig bewegungslos stand sie da, als würde sie auf etwas warten, auf etwas lauschen. Dann schaute sie den Strand entlang, und ich dachte, sie würde den Weg wieder zurückgehen, den sie gekommen war, daß das alles war, was sie getan hatte — ein schneller Spaziergang an einem späten Sommernachmittag –, und sie jetzt zu ihrer Mutter zurückkehren würde. Ich stand direkt über ihr am oberen Ende der Treppe, vielleicht fünfzig Meter entfernt, als sie sich wieder umdrehte und in meine Richtung schaute oder vielleicht über mich hinweg, und zum ersten Mal sah ich ihr nun direkt ins Gesicht. Einen Augenblick lang bedeckten die Haare ihre Augen, wurden aber dann

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