Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein unauffälliger Mann - Chadwick, C: Ein unauffälliger Mann - It's All Right Now

Ein unauffälliger Mann - Chadwick, C: Ein unauffälliger Mann - It's All Right Now

Titel: Ein unauffälliger Mann - Chadwick, C: Ein unauffälliger Mann - It's All Right Now Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Chadwick
Vom Netzwerk:
weggeweht, als sie den Kopf nach hinten warf, die Augen schloß und den Mund öffnete, als würde sie sich über einen plötzlichen Wolkenbruch freuen.
    Vielleicht ein halbe Minute lang stand sie so da. Um sie herum waren Gruppen von Leuten in Liegestühlen und Kinder, die im Sand spielten. Niemand schien sie in dieser Menge zu bemerken, obwohl ihr langes, grünes Kleid so herausstach. Dann senkte sie den Kopf, öffnete die Augen und kam, Sand hochwirbelnd und die Schuhe an der Taille schwingend, auf mich zu. Ihr Blick war direkt auf mich gerichtet, und es schien Wut darin zu liegen. Als sie die Treppen hochkam, trat ich ein paar Schritte zur Seite, um sie vorbeizulassen. In diesem Augenblick wurde mir klar, daß sie mich gar nicht gesehen hatte und sie eigentlich gar nicht hier sein sollte. Sie war ganz offensichtlich verrückt.
    Einen Augenblick stand sie oben an der Treppe und schaute nach rechts und nach links, als versuchte sie sich zu erinnern, aus welcher Richtung sie gekommen war, oder als hätte man sie am Straßenrand ausgesetzt in einem Ort, den sie als Kind gekannt hatte,
der sich aber jetzt bis zur Unkenntlichkeit verändert hatte. Aber für jemanden, der so offensichtlich nicht wußte, wo er war, wirkte sie absolut nicht ängstlich. Ich stand kaum mehr als fünf Meter entfernt und hätte mich jetzt vorstellen und sie fragen können, ob sie Hilfe brauche. Statt dessen kam mir nur der alberne Gedanke, daß sie schon wieder wissen würde, wo sie war, wenn sie erst einmal ihre Schuhe angezogen hatte, und dann wäre alles wieder in Ordnung. Ich dachte auch, daß sie keinen Grund hatte, mich wiederzuerkennen, und daß ich ihr nur Angst einjagen würde. Und, ja, ich war auch neugierig. Nein, ich war vorwiegend neugierig, und alles andere rankte sich darum herum.
    Plötzlich hob sie den Kopf und winkte mit einem Schuh dem Bus, der auf der anderen Straßenseite angehalten hatte. Als der Bus wieder anfuhr, rannte sie über die Straße, so daß zwei Autos mit quietschenden Bremsen und lautem Hupen stoppen mußten. An der Haltestelle auf der anderen Seite stellte sie sich breitbeinig hin, um auf den nächsten Bus zu warten. Wie es aussah, hatte ihr Kleid keine Taschen, in denen man Geld aufbewahren konnte, und der Bus auf dieser Straßenseite würde sie in die entgegengesetzte Richtung unserer Vorstadt bringen — hinaus zu den Klippen und auf die Straße nach London. Ich redete mir ein, daß sie wahrscheinlich ganz in Ordnung war und ich mich um meine eigenen Angelegenheiten kümmern sollte, wußte aber sofort, daß sogar jemand, der fähig wäre, das zu glauben, es nicht glauben konnte. Während ich auf eine Lücke im Verkehr wartete, kam ein weiterer Bus und verdeckte sie. Ich rechnete damit, daß sie, wenn er wieder losfuhr, verschwunden sein würde. Aber sie war noch immer da und starrte hilflos ihre Füße an, als versuchte sie, sich zu erinnern, warum sie sandig waren und was mit ihren Schuhen passiert war. Vielleicht hatte der Fahrer sich geweigert, sie mitzunehmen, weil sie kein Fahrgeld hatte — so einfach konnte das sein. Wenn sie Geld gehabt hätte, wäre sie jetzt sicher schon unterwegs zu den Klippen. Ich überquerte die Straße und stellte mich neben sie, fest entschlossen, etwas zu sagen, bevor der nächste Bus kam. Machen Sie sich keine Gedanken, hätte ich beinahe gesagt, Sie halten Ihre Schuhe in den Händen.

    »Verzeihen Sie«, sagte ich schließlich. »Mein Name ist Tom Ripple. Wir wohnen in derselben Straße, glaube ich. Sie in Nummer siebenundzwanzig mit ihrer Mutter. Ich in Nummer dreizehn.«
    Sie starrte so gebannt auf ihre Füße, daß sie mich gar nicht zu hören schien. Wir standen im Schatten, und ein plötzlicher Windstoß wehte uns Abfall um die Füße. Sie verschränkte die Finger unterm Kinn, und die Schuhe baumelten ihr von den Daumen. Sie hatte eine Gänsehaut an den Armen und fing nun heftig an zu zittern. Das Kleid klebte eng an ihr, als hätte der Wind es eingehen lassen, und ich sah, daß sie darunter nackt war. Die Kälte hatte ihre Brustwarzen hart werden lassen, die für ihre winzigen Brüste zu groß waren und viel zu weit herausstanden. Ich schluckte usw. Eindeutig nicht zu groß oder irgendwas, und auch die Brüste eindeutig. Ihre furchtlose Miene war verschwunden, und jetzt sah sie bemitleidenswert aus, als stünde sie nackt vor einer johlenden Meute. Sie starrte noch immer auf ihre Füße hinunter und fing jetzt an, mit den Zehen zu wackeln. Eine Eiscremetüte klebte

Weitere Kostenlose Bücher