Ein unauffälliger Mann - Chadwick, C: Ein unauffälliger Mann - It's All Right Now
Moltofill hingestellt; es kann keinen Gott geben; und so weiter und so fort. Wir hätten es vielleicht gern, daß unsere Gedanken beim Sterben weniger albern und bedeutsamer sind als die, die wir zuvor hatten, nur würde uns dann an der Schwelle unseres Todes bewußt werden, wie albern und bedeutungslos unser ganzes Denken gewesen war. Und das würde uns überhaupt nicht gefallen. Wenn mein Arzt das nächste Mal das Thema meiner Fitneß zur Sprache bringen sollte, würde ich ihm sagen, daß ich es nicht geschafft hatte, den Hügel ohne Pause hinaufzusteigen, was ihm die Gelegenheit geben würde zu erwidern, wenigstens sei ich noch nicht hinüber. Fit bleiben wofür? Ich hatte mich noch nicht ganz erholt von diesem Augenblick des Grauens, mein Haus zu betreten, nach oben zu gehen und meine Leiche unter einem Laken zu finden ...
Und so wanderten meine Gedanken weg von dem, was vorher gewesen war, und ich kehrte zu mir selbst zurück, meiner Gesundheit,
meinem Wohlergehen, diesem Geschreibsel hier. Das war alles, wozu ich noch fit war. Und so kam es auch, daß ich am nächsten Tag mit dem Bus zur Bank fuhr und dann mit einem Umschlag mit fünfhundert Pfund darin zu Rosie ging. Eigentlich will ich darüber gar nicht viel sagen. Was für einen großartigen Kerl das aus mir macht? Nein, nichts dergleichen. Was ich zu erwähnen vergessen habe, was ich sogar versucht habe, aus meinen Gedanken zu verbannen, ist die Tatsache, daß Jane mir in ihrem Testament 10 000 Pfund vermacht hat. Damit ich mir, so Adrian, ein paar neue, rote Socken, ein oder zwei Bücher mit neuen gräßlichen Witzen und ein paar CDs (noch mehr Schubert?) kaufen und mich generell ein wenig verwöhnen könne. Vorwiegend aber für wohltätige Zwecke, von denen ich dachte, daß sie auch ihre Zustimmung gefunden hätten. Ich war mir ziemlich sicher, daß Rosie dazugehörte. Doch davon konnte ich Rosie natürlich nichts erzählen.
Zuerst war sie sehr bestürzt. Ich erzählte ihr, ich hätte ein bißchen was im Lotto gewonnen, allerdings nicht den Jackpot. Aber es müsse ein Geheimnis zwischen uns bleiben. Sie sagte, sie könne das unmöglich annehmen usw, und versuchte, mir das Geld zurückzugeben. Also nahm ich den Umschlag und sagte, hier liege wohl ein Mißverständnis vor, das Geld sei gar nicht für sie, und gab den Umschlag ihrem Ältesten mit dem Hinweis, er solle seine Mutter um Rat fragen, bevor er es ausgebe. Danach lief ich davon, ohne ihr die Zeit zu geben, noch etwas zu erwidern, doch sie holte mich an der Tür ein und küßte mich feucht auf die Lippen. Ihr Bruder sah zu, so ausdruckslos wie immer und den Kopf zur Seite gedreht, als wäre die ganze Sache völlig geschmacklos, und ich würde nichts Gutes im Schilde führen.
Eine Weile hatte ich deshalb kein schlechtes Gewissen mehr wegen John Brown und seiner Frau. Ich dachte, ich könnte jetzt jederzeit wieder in die Kirche gehen, da ich wenig, wenn überhaupt etwas zu bereuen hatte. Die Religion hatte sich also als doch nicht so schlimm erwiesen, bei weitem nicht so fordernd. Wie meine Mutter gesagt hatte, solange es nur um die schön klingenden Worte und die Musik geht.
Dies hielt nicht lange an. Ich hätte es mir leisten können, Rosie mehr zu geben, denn auch ohne Janes Geschenk hatte ich mehr als genug. Hätte ich es ihr anonym geben sollen, damit sie sich unaufhörlich den Kopf darüber zerbrach, woher es gekommen war? Seitdem, und ich bin mir sicher, daß da keine Berechnung dahintersteckte, weder von ihrer Seite noch von meiner, sahen wir uns kaum, und wenn, dann winkten wir uns nur aus der Entfernung zu. Es war fast so, als würden wir einander aus dem Weg gehen. Ich wollte nicht, daß sie dachte, das Ganze hätte einen Haken oder ich hätte es nur getan, um mich gut dabei zu fühlen. Sie wollte sich nicht noch einmal bedanken und erklären müssen, wie viel ihr das bedeute. Das kann sich wohl jeder gut vorstellen. Dankbarkeit ist eine komische, komplizierte Sache. Sie schafft Verpflichtungen, die wir lieber nicht hätten, allerdings nicht das Geben und Nehmen selbst. Das wollen wir nicht missen. Es ist das Schulden, gegen das wir etwas haben. Ich vermißte Rosie, so sehr, daß ich mir schon wünschte, ich hätte ihr das Geld überhaupt nicht gegeben. Ich vermißte den gelegentlichen Plausch, das normale, alltäglich Nachbarschaftliche daran. Früher war das das mindeste, was wir einander schuldig gewesen waren, so einfach war das.
Die Dinge, die wir getan und unterlassen
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