Ein unauffälliger Mann - Chadwick, C: Ein unauffälliger Mann - It's All Right Now
ihnen sein wie immer. Allerdings hätte es mich schon sehr gefreut, wenn sie zuerst mich gefragt hätte. Ich hätte dann gesagt, es tue mir furchtbar leid, ich hätte es sehr gern getan, aber ich würde viel unterwegs sein — vielleicht mit einer Andeutung einer Reise nach Nova Scotia, um meine Forschungen über die Micmac auf den neuesten Stand zu bringen. Aber mit dem Wissen, das ich jetzt habe, hätte ich natürlich gesagt, es wäre mir ein Vergnügen. Freundlichsein ist so, man ist einfach verdammt froh, daß man es so selten sein muß. Es wäre sehr freundlich, wenn ... Aber natürlich. Wenn.
Wie ich sehe, habe ich das Gedicht noch nicht nachgeschlagen, von dem Adrian mir erzählte, daß es Jane so traurig gemacht hatte. Der Wind, der tötet, kommt aus einem fernen Land aus blau erinnerten Hügeln und Kirchtürmen und Farmen. Es ist ein Land verlorener Zufriedenheit und glücklicher Straßen, die der Dichter ging und nie mehr sehen wird. Meine eigene Kindheit verbrachte ich in einer großen Industriestadt in den Midlands. Dort gab es keine glücklichen Straßen. Auch keine unglücklichen. Nur langweilige, nicht erinnernswerte.
Gelegentlich fuhren wir jedoch aufs Land und genossen dann
solche Ausblicke — Rauch, der aus den Kaminen von Gehöften wehte, Kirchen und Hügel in der Entfernung. Ich konnte verstehen, daß die Erinnerung an all das, an das verschwundene Glück dieser Zeit, leicht alles andere überschatten kann. Und tödlich werden kann. Wie auch immer, es ist ein sehr schönes Gedicht. Das genaue Gegenteil von tödlich.
Was mir jetzt plötzlich wieder einfällt, ist, wie mein Vater, das Kinn auf die Knie gestützt, am Straßenrand sitzt und in die Landschaft schaut. Einmal sagte er: »Man muß zugeben, daß es wunderschön ist. Heitert einen auf.«
Meine Mutter, die, allerdings stehend, ebenfalls in die Landschaft geschaut hatte, erwiderte: »Nur weil du hier bist, nicht dort.«
»Es ist weder hier noch dort. Wunderschön ist es trotzdem«, sagte mein Vater.
Er schaute mit einem Lächeln zu ihr hoch, einem ziemlich breiten für seine Verhältnisse, und sie nickte ihm zustimmend zu, fast mit Stolz, wie ich damals vielleicht dachte. Es war so selten. Ich weiß nicht mehr, wie alt ich war. Sechs? Sieben? Aber ich erinnere mich jetzt sehr deutlich daran. Es war das einzige Mal, daß ich ihn mit Worten spielen hörte. Danach schauten sie wieder in die Landschaft, sehr lange, wie es mir vorkam. Ich ebenfalls. Nicht weil man in diesem Alter viel Wert auf eine schöne Umgebung legt. Ich war ganz einfach glücklich. Es war etwas, das wir gemeinsam taten. Dasselbe. Als hätten wir drei nur auf diesen Augenblick hin gelebt. Als wäre er der Sinn unseres gemeinsamen Lebens. So etwas in der Richtung.
KAPITEL ELF
U ngefähr drei Wochen vor Weihnachten sah ich John Brown wieder. Er kam aus dem Connaught, als ich eben hineinging.
»Keine Zeit«, sagte er.
Ich legte ihm die Hand auf den Arm. »Ach, kommen Sie. Einen Schnellen. Sie können mich mit dem Barmädchen nicht allein lassen. Das wissen Sie doch. Sie kann die Hände nicht von mir lassen, wenn ich allein bin.«
Auf dem Weg zu unserer Nische bestellte ich einen Whisky für mich, und er sagte, er nehme nur ein Cola mit viel Eis. Da er nicht den Anschein machte, als hätte er bereits zu viel, konnte ich nicht anders, als fragend die Augenbrauen zu heben. Er trug seine dunkle Brille nicht, und in seinen blassen Augen war etwas, das ich zuvor noch nicht gesehen hatte: Vorsicht oder Zurückhaltung, vielleicht sogar Schüchternheit. Dann ließ er sich ins rote Dämmerlicht sinken, und ich sah nichts mehr.
»Da Sie nicht gefragt haben«, sagte er, »ich glaube, ja ich glaube, wir könnten da etwas gefunden haben. Da gibt’s eine Klinik in London, ein neues Medikament. Verdammt teuer. Aber schon halb überm Berg, schon ein bißchen mehr als die Hälfte. Braucht jetzt allerdings weniger, um besoffen zu werden. Größere Lücken dazwischen. Zwei Stunden weniger Schlaf. Wir waren im Kino, zum Essen in einem Restaurant, sind die Küste hochgefahren, solche Sachen ...«
Vor lauter Aufregung verhaspelte er sich in seinem Bericht, als das Barmädchen kam — wieder ein neues. Jung, blond, wohlgeformt, wunderbares Lächeln, Zähne und grüne Augen, unübertrefflich.
Kurz gesagt, das Übliche. Dem Maßstab entsprechend, ihn aber auch setzend. Als sie sich vorbeugte, um unsere Drinks auf den Tisch zu stellen, berührten ihre Brüste, eine davon, meine
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