Ein unauffälliger Mann - Chadwick, C: Ein unauffälliger Mann - It's All Right Now
ist die Frage, die mir manchmal in den Sinn kommt. Wenn ich sie stellen würde, dann würden die Leute, auch mein Sohn, mich anschauen, als hätte ich den Verstand verloren — eine zu weit hergeholte Hypothese, denken Sie jetzt vielleicht, als ob es so etwas überhaupt gäbe.
Vor allem anderen will ich nicht, daß meine Frau mir sagt, ich solle meinen Sohn von Webb wieder weglocken. Ich kann mir nicht vorstellen, daß ich mir Werkzeuge kaufe, Bretter, Nägel und Schrauben usw., und aus meiner Garage eine Werkstatt mache. Ich würde mir vorkommen wie ein Trottel, und außerdem würde mir Webb die ganze Zeit mit seinen guten Ratschlägen im Nacken sitzen, und bald wäre wieder er es, der meinem Sohn helfen würde, nur daß es dann in meiner Garage passierte. Um mit Webbs Briefmarken konkurrieren zu können, könnte ich zum Beispiel versuchen, Schmetterlinge zu sammeln. Ich kann mir das
Gesicht meines Sohnes deutlich vorstellen, wenn er mich mit einem Schmetterlingsnetz über eine Wiese laufen sieht. Oder Modellgaleonen zu bauen und mir dabei den Kleber auf sämtliche Finger zu schmieren oder die Spieren zu brechen oder was Galeonen eben haben. Oder Vögel zu beobachten, wobei ich wahrscheinlich immer nur dieselben, altbekannten Vögel entdecken würde. Mir fällt im Augenblick keine Beschäftigung ein, die mein Sohn und ich als Kumpels tun könnten. Wie schön wäre es doch, wenn ich als erster an Briefmarken und Tischlerei gedacht hätte. Aber auch wenn dem so gewesen wäre, ist Webb ein Mann, der ihn dann mehr für Schmetterlinge, Vögel und Modellgaleonen begeistern könnte.
Also habe ich meiner Frau nichts gesagt. Mein Sohn besucht an den Wochenenden noch immer Webb. Ich kann mir nicht einmal einreden, daß ich, indem ich ihm kein besserer Kumpel bin, ihm die Entschlossenheit einpflanze, seinen Kindern einmal ein besserer Vater zu sein, als ich ihm einer bin. Mein Vater war ein erfolgloser Ladenbesitzer in einer Kleinstadt, und ich dachte immer, er versuchte nur, mich besser kennenzulernen, wenn ich ihm im Laden half und er fragte, ob ich ihn einmal erben wollte; vielleicht sind sie ja alle so, diese Leute, die sich ihr ganzes Leben lang nur um ihren eigenen Kram kümmern. Inzwischen weiß ich es besser, jetzt, da es schon viel zu spät ist. Es hat mich nicht zu dem Schwur gebracht, meinem Sohn ein besserer Vater zu sein, dem ich einmal nichts vererben werde außer vielleicht ein bißchen Geld. Wenn ich zuerst sterbe, kann es allerdings sein, daß meine Frau andere Pläne damit hat, angesichts ihrer Haltung gegenüber ererbten Reichtümern. Deshalb habe ich meinen Kindern gegenüber die Verpflichtung, mir zu wünschen, daß sie vor mir stirbt, keine sehr moralische Verpflichtung, leider — und das, noch bevor man sich überhaupt überlegt, was die Nutznießer alles entbehren müßten. Es ist eine dieser Verpflichtungen meinen Kindern gegenüber, gegen die ich nichts tun kann, die aber die einzigen sind, die ich habe.
Wie auch immer, inzwischen hege ich keine Abneigung mehr
gegen Webb, allerdings halte ich ihn noch immer für verschlagen und einen Langweiler. Manchmal, wenn meine Frau mal wieder etwas zu arrogant (mir mal wieder turmhoch überlegen) ist, wenn sie sich von irgendeiner drittklassigen Fernsehsendung, die mir größten Spaß macht, abwendet und ins Bett geht, dann stelle ich mir Webb als imaginären Verbündeten vor. Ich treibe diesen Gedankengang viel zu weit. Ich stelle mir vor, daß ich Webb erzähle, wie sie ohne Kleider aussieht, ihm sogar verrate, wie sie im Bett ist und wie sie es bedauerlicherweise nicht ist. Vielleicht will ich damit nur sagen, daß ich kein großer Hasser bin (Plaskett ausgenommen), daß ich es entspannter finde, mit dem Leben, so wie es ist, mehr oder weniger zufrieden zu sein. Es ist einfach so, daß mir, obwohl mir Webb und meine Frau manchmal gehörig in die Nase steigen, da oben mein eigener Rotz lieber ist. Und natürlich würde ich nicht im Traum daran denken, Webb irgend etwas über meine Frau zu erzählen. Stellen wir uns denn nicht manchmal das Absurde, wenn nicht gar das Obszöne vor, damit wir uns selber weniger so sehen können?
Vor ein paar Tagen kam mein Sohn nach Erledigung seiner Hausaufgaben wieder nach unten, und ich sagte zu ihm: »Schon fertig mit den Hausaufgaben? Das war aber schnell.«
»War ja nur Erdkunde. Südamerika. Mr. Webb hat mir viel darüber erzählt, als wir über seinen Briefmarken gesessen sind. Beim Briefmarkensammeln
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