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Ein unauffälliger Mann - Chadwick, C: Ein unauffälliger Mann - It's All Right Now

Ein unauffälliger Mann - Chadwick, C: Ein unauffälliger Mann - It's All Right Now

Titel: Ein unauffälliger Mann - Chadwick, C: Ein unauffälliger Mann - It's All Right Now Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Chadwick
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kaum mehr als eine Sekunde zu. Eine andere Stimme sagte: »Das ist der Triumph der Leidenschaft, und viel Glück für sie.« Dann kam eine Reihe anderer Gedanken, einer nach dem anderen, und sie wucherten aus zu all den Männern und Frauen überall, die in der einen oder anderen Form mit Untreue zu tun hatten, das heißt zu allen Männern und Frauen. Die Phantasie scheint einen tatsächlich von dem Gefühl für richtig
oder falsch zu erlösen. Da ist viel zuviel Neugier, viel zuwenig Unterscheidungsvermögen dabei. Die Phantasie kann nicht gezügelt werden, denn dann stellt sich sofort die Frage: gezügelt, damit man sich was nicht vorstellt? Ich schlief gut in dieser Nacht und erdachte mir Szenen einer Tändelei zwischen einem Vikar und der Frau eines Organisten, bei der alle Register gezogen wurden, während der Organist zur selben Zeit an einem anderen Ort dasselbe tat. So endete mein Weihnachten.
     
    Und nun zur Ankunft des Millenniums. Ich kam gegen Viertel nach zehn bei den Felix an. Mrs. Felix begrüßte mich mit offenen Armen. Auch ihr Mund war weit offen, als würde sie eben einen Gassenhauer brüllen. »Ah, der große Mann persönlich. Das Alte aus-, das Neue einläuten, mh?« Cedric Felix tauchte ebenfalls auf, mal links, mal rechts von ihr. Sein Lächeln war deutlich einseitig, und ein Auge war halb geschlossen, als wäre er eben dabei unterbrochen worden, sein Gesicht unter Kontrolle zu bringen oder die Kontrolle darüber zu verlieren. Da beide offensichtlich ziemlich betrunken waren, konnte der Abend sich so oder so entwickeln. Mrs. Felix bat mich mit übertriebenem Armschwung ins Haus und stellte mich, den Arm noch immer erhoben, einer Sheila und einem Simon Irgendwas und einer Roddy und einem Roddy Wawawereminnihaha vor.
    »Tim Ripple war auch im Haus, Roddy«, sagte Mr. Felix und gab mir ein Glas mit einer blaßrosa Flüssigkeit mit Schaum und Fruchtstücken obendrauf. »Ihr beide habt euch sicher viel zu erzählen.«
    Die Frau daneben streckte die Hand aus. »Rhoda Warmington. Roddy redet gern endlos über seine Zeit in Oxford, nicht, Roddy?«
    Sie war völlig nüchtern, und man merkte sehr deutlich, daß es seit einem guten halben Jahrhundert nichts gab, was sie weniger mochte. Ihr Lächeln jedoch machte es ähnlich deutlich, daß sie sich verdammt noch mal damit abzufinden hatte. In ihrem Akzent schwang mehr als eine Spur meines Teils der Welt mit. Roddy schien ebenfalls nüchtern zu sein, zumindest wenn man von seinem
Stirnrunzeln und der gründlichen Musterung, der er mich unterzog, ausging. Das andere Paar hörte zu, bis Felix laut sagte: »Hab noch nie einen Menschen getroffen, der mit mir am Oriel war. Schaut euch das mal an ...«
    Mrs. Felix’ Mund stand noch immer so weit offen wie bei meiner Begrüßung. Dann bekam Roddy einen Anfall, boxte mich auf den Arm und klopfte mir auf die Schulter mit dem Gesichtsausdruck eines Menschen, der eben von einem alten Freund erschreckt worden ist — Schock, gefolgt von freudiger Überraschung.
    »Mein Gott. Ich erinnere mich an dich. Hast dich allerdings ein bißchen verändert. Aber haben wir das nicht alle? Ein Ruderer, wenn ich mich recht erinnere, oder war es Squash? Habe selber ja ein bißchen Kricket gespielt. Warst das nicht du, der eines Nachts ein Motorrad auf dem Lehrertisch im Speisesaal abstellte? Da ging’s doch irgendwie um die Wiese, nicht? Wir haben damals vielleicht was weggesoffen, o Mann. Aber dann hast du Schwein dir ’nen erstklassigen Abschluß geschnappt.«
    Mrs. Felix betrachtete mich mit Stolz, während Mrs. Warmington durchaus hätte sagen können: »Geht denn das schon wieder los?«
    »Na, und was hast du aus deinem Leben gemacht, Tim, altes Haus? Shipley. Also, daß ich dich noch einmal treffe!«
    Ich sagte, ich wäre nach Kanada gegangen und hätte mich auf die Anthropologie verlegt, und redete dabei in einem Akzent wie Mrs. Warmington, weil ich glaubte, es würde deutlich machen, daß auch ich nicht besonders scharf darauf war, in Erinnerungen zu schwelgen. Roddy faßte mich am Ellbogen und führte mich in eine Ecke des Zimmers. »Wir wollen doch die anderen nicht langweilen, oder?«
    Mr. Felix kam gerade lange genug zu uns, um unsere Gläser nachzufüllen. »Ihr Jungs aus dem Haus. Nicht zu bremsen.«
    Roddy klopfte mir wieder auf die Schulter und begann: »Der gute, alte Shipley. Was für ein Athlet. Auch Rugby, wenn ich mich recht erinnere. Weißt du noch ...«
    Und so ging es weiter. Ich brauchte nur zu nicken.

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