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Ein unauffälliger Mann - Chadwick, C: Ein unauffälliger Mann - It's All Right Now

Ein unauffälliger Mann - Chadwick, C: Ein unauffälliger Mann - It's All Right Now

Titel: Ein unauffälliger Mann - Chadwick, C: Ein unauffälliger Mann - It's All Right Now Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Chadwick
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reinkommen?«
    »Muß gleich wieder los. Habe eine Lammkeule im Ofen. Nur für uns rentiert sich ein Truthahn und das ganze Drumherum ja nicht.«
    »Ich muß mich mit einem Stechpalmenzweig auf meinem Cumberland Pie zufriedengeben.«
    Sie drehte sich bereits um und lächelte nicht. Sie war in Gedanken woanders. Wahrscheinlich stellte sie sich vor, wie Weihnachten hätte sein können, oder sie dachte an eins vor langer Zeit in ihrer Kindheit. Überall wäre sie lieber gewesen als im Hier und Jetzt.

    »Vielen, vielen Dank, Rosie. Das wäre wirklich nicht nötig gewesen.«
    »Doch, das war es«, erwiderte sie.
    Die Kinder hatten mir ein Päckchen Hamlet-Zigarren geschenkt, eine Tafel belgischer Schokolade und drei Taschentücher mit eingesticktem T. Der Kuchen war schwer von Früchten, und es dauerte Wochen, bis ich mich überwinden konnte, ihn anzuschneiden. Ich hatte ihnen nichts geschenkt. Sicherlich hatten sie etwas erwartet. Die Kinder, meine ich. Eine der vielen Enttäuschungen dieses Tages. Eine Pfund-Münze in jede Hand hätte schon ausgereicht. Ein Fünfer wäre das reinste Himmelreich gewesen. Gott läßt Euch fröhlich sein, Ihr Herren, auf daß nichts Euch betrübe.
     
    Am Abend schlenderte ich die Straße entlang. Im Fenster des Elektrikers hing ein kompliziertes Geflecht bunter Lichter, in dem der Tomkins eine einzelne Girlande. Ein sehr kleiner Christbaum mit einem Stern auf der Spitze stand auf dem Fensterbrett. Die beiden standen links und rechts davon, schauten ihren Garten an und besprachen mit Sicherheit, was sie mit ihm tun würden, wenn der Frühling wieder kam. Vielleicht war der Winter, mit Weihnachten in seiner Mitte, für sie ganz einfach die Zeit, in der man sich zusammen mit der Natur und all ihrem Blühen und Grünen eine Ruhepause gönnte. Er würde ihr ein paar Päckchen Samen und einige Blumenzwiebeln schenken. Sie würde ihm ein neues Grabschäufelchen oder eine Steinfigur schenken. Ich winkte ihnen zu, aber sie konnten mich nicht sehen. An der Haustür der Felix hing ein riesiges Gebinde. Die Patels hatten ein kleineres an der ihren. Aus Respekt vor den Gebräuchen der Menschen, unter denen sie lebten, vielleicht. Ihre Vorhänge waren geschlossen, deshalb konnte ich nicht sehen, ob sie Leuchtgirlanden aufgehängt hatten. Auch in den Häusern anderer Leute in der näheren Umgebung hingen Lichter in den Fenstern. Nichts zu Auffälliges oder Protziges. In Mr. Fogartys Fenster war nichts. Ich hatte ihn noch nicht in Mrs. Hirsts Haus gehen sehen, um die Katzen zu füttern.
    Ich kehrte zu meinem Cumberland Pie und Weihnachtsmusik
aus dem Radio zurück. Danach zündete ich mir eine der Hamlet-Zigarren an und goß mir ein Glas Brandy ein. Bevor ich meinen Roman aufschlug, den dritten der Anthony-Powell-Serie, hatte ich ein paar traurige Gedanken über vergangene Weihnachten, als ich noch ein Junge war, als meine Kinder jung waren, und über die Menschen, die mein Leben bevölkert hatten, und wie sie wohl ihr Leben verbrachten. Ich dachte dabei sogar an Plaskett, fast versöhnlich. Aber nur kurz. Ich war einfach nicht in der Lage, mich mit dieser Weihnachtsmelancholie lange aufzuhalten. Statt dessen dachte ich zum Schluß über den ornatlosen Vikar und die Frau des Organisten in einem möblierten Zimmer in Hastings nach — Leute, die ich nicht kannte und nie kennenlernen würde. Ich versuchte, sie mir vorzustellen. Vielleicht verbrachten sie eine ganz wunderbare Zeit im Bett. Vielleicht fehlte ihm aber auch seine Berufung — die Leitung eines Weihnachtsgottesdienstes –, während sie sich nach dem Klang einer Orgel sehnte. Vielleicht lachten sie viel, da ihnen ihre Liebe füreinander völlig genügte. Oder sie saßen da und fragten sich, was um alles in der Welt sie getan hatten, und baten Gott um Vergebung. Und so weiter und so fort. Vielleicht besitzen wir Phantasie, damit sie uns von unseren Erinnerungen, von uns selbst erlöst. Die Phantasie hat Flügel, wie’s so schön heißt, und wir hängen uns an sie dran. Ich weiß wirklich nicht, wozu sie sonst gut sein konnte, diese Jagd nach alternativen Welten. Ich wandte mich dankbar wieder Mr. Powell zu, aber sooft ich das Buch niederlegte, kehrte dieses Paar in Hastings zu mir zurück, bis ich mich selber sagen hörte: »Sie haben’s ja drauf angelegt, und recht geschieht’s ihnen.« Es war nicht meine Stimme, die da sprach, sondern die eines ranghohen Gemeindemitglieds. Ich hatte mir ein Urteil über sie gebildet, aber ich stimmte ihm

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