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Ein unauffälliger Mann - Chadwick, C: Ein unauffälliger Mann - It's All Right Now

Ein unauffälliger Mann - Chadwick, C: Ein unauffälliger Mann - It's All Right Now

Titel: Ein unauffälliger Mann - Chadwick, C: Ein unauffälliger Mann - It's All Right Now Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Chadwick
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über höhere Dinge des Geistes und der Seele nachzudenken? Aber meine Gedanken kehrten fast augenblicklich zu Plaskett zurück, und das brachte mich auf die Idee, ihm eine tote Ratte auf den Tisch zu legen. Ich erkannte allerdings, daß es vielleicht schwierig sein könnte, eine tote Ratte in die Finger zu bekommen, vor allem eine schon lange tote, die ich, ohne Anstoß zu erregen, mit den öffentlichen Verkehrsmitteln transportieren könnte. Sollte ich mich deshalb mit einer Maus zufriedengeben? Wir hatten im Haus manchmal Mäuse mit Fallen gefangen. (Meine Frau und mein Sohn sind diejenigen, die die Fallen aufstellen und die Opfer herausholen. Meine Tochter und ich wollen damit absolut nichts zu tun haben, meine Tochter aus Mitleid.) Wenn etwas Kleines, so dachte ich, ein Symbol für etwas Großes ist, dann könnte eine Maus ein Symbol für eine Ratte sein. Aber Plaskett würde natürlich überhaupt nicht verstehen können, was eine Maus auf seinem Schreibtisch bedeutet, er könnte glauben, sie sei durch Zufall dorthin geraten und dann vor lauter ehrfürchtigem Staunen gestorben. Wohingegen es schwierig wäre, die Bedeutung einer toten Ratte auf seinem Schreibtisch (eine lebendige in einem Käfig wäre noch besser, aber die hineinzuschmuggeln wäre noch schwieriger) mißzuverstehen.
Ich konnte mir nicht vorstellen, irgend jemanden zu fragen, wie man an eine tote Ratte kommt, geschweige denn, tatsächlich eine in die Hand zu nehmen, und so begnügte ich mich damit, ihm ein Plakat an die Bürowand zu hängen, auf dem steht: »Plaskett ist eine Ratte.« In meiner Vorstellung. Nur in meiner Vorstellung. All dies und noch einiges andere auf der Rückfahrt vom Meer nach einem wunderbaren, sonnigen Urlaub mit meiner Familie. Aus meiner Entscheidung, nach meinen Werten zu suchen, entstand, nach diesem exzellenten Anfang, so etwas. Während fast der ganzen Fahrt, inmitten der Unterhaltungen und der stillen Perioden und der glücklichen Erinnerungen, kehrten meine Gedanken immer wieder zu toten Ratten zurück. Es war der Haß, der jetzt wieder das Sagen hatte, nicht die Liebe usw. So viel zum Beherrschen. Was hat er nur für eine Macht? Den Haß meine ich. Kein Wunder, daß einige Leute an den Teufel glauben. Ich nicht. Es erscheint mir nicht nötig. Etwas Schwarzes und Böses scheint in der Seele oder wo auch immer zu lauern, etwas, das zuallererst da war, bevor ein Licht es erhellte. Das ist der Satz am Anfang der Bibel über den Zustand der Welt vor der Schöpfung: Und Finsternis lag über dem Abgrund. (Ich weiß das deshalb, weil meine Mutter diesen Satz zu meinem düster schweigsamen Vater sagte, wenn er eine Rasur nötig hatte. Mehr davon an anderer Stelle.) Man braucht kaum historische Kenntnis, um zu begreifen, wieviel Haß es immer schon gegeben hat. Man muß nicht lange danach suchen. Der Teufel ist, vermute ich, etwas, dem man die Schuld geben kann anstatt uns selbst ...
     
    So endete also die Reise. Ich versuchte, mich zu erinnern, wie sie begonnen hatte, aber es nutzte nichts. Plaskett ließ sich nicht vertreiben. Das Schweigen nahm überhand. Bevor meine Frau an diesem Abend das Licht ausschaltete, sagte sie noch einmal, was für ein schöner Urlaub es gewesen sei, und ruinierte es dann, indem sie hinzufügte: »Und jetzt wieder zurück zu den ernsten Dingen des Lebens.« Es schien mir nicht der richtige Augenblick, um Landhäuser in Erinnerung zu rufen und, zum Beispiel, über das Verhältnis von Schönheit und Wahrheit zu diskutieren.

KAPITEL ELF
    A ll dies erscheint mir jetzt schon lange her. Ich habe andere Dinge im Kopf; und auch einiges nachzuholen.
    Bald darauf bot Plaskett mir eine Beförderung an, der ein Management-Trainingskurs vorangehen sollte. Ich sollte, nachdem wir eine andere Firma übernommen hatten, Leiter einer neuen Vertriebsabteilung werden. Er steige jetzt die Leiter hinauf, sagte er, und wolle mich mitnehmen. Mehr Verantwortung, mehr Geld, mehr Macht. Ich weiß jetzt nicht mehr, ob er genau diese Worte laut aussprach, während er zum Fenster hinausstarrte, das Zucken eines Lächelns um den Mund, und seine Augen sich schlossen, vielleicht weil er sich geblendet fühlte von seinen Zukunftsaussichten. Es würde einiges an Reisen für mich bedeuten, fuhr er fort. In weit entfernte Städte. Ich dankte ihm, oder zumindest sollten die Geräusche, die aus meinem Mund kamen, genau das bedeuten, denn meine Gedanken stolzierten zwischen riesigen Betten und Zimmerservice, Spesenkonten und

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