Ein unauffälliger Mann - Chadwick, C: Ein unauffälliger Mann - It's All Right Now
Zahlen noch einmal vornahm und daraus ein Diagramm bastelte, bei dessen Anblick ich ein wenig seekrank wurde. An diesem Abend wäre ich beinahe gegangen, ohne das Blatt vom Block zu reißen. Jedesmal, wenn ich im anschließenden Urlaub daran dachte, bekam ich einen Schweißausbruch, was wieder wettmachte, daß er mir nun doch nichts aufgetragen hatte, was ich nach meiner Rückkehr schnellstmöglich erledigen sollte, obwohl das an sich verdächtig war, und dazu gesellte sich auch noch der Gedanke an die Abdrücke, die mein Kugelschreiber auf dem Blatt darunter hinterlassen hatte.
Wir hatten einen wunderbaren Urlaub, ähnlich wie die anderen. Sorglos, von obigem einmal abgesehen. Sogar meine Frau kicherte gelegentlich, und die Kinder kamen gut miteinander aus. Wir gingen ins Kino, auf den Rummelplatz, spazierten am Pier und am Strand entlang und fuhren mit dem Auto durch die Landschaft und zu einigen stattlichen Häusern, aus denen meine Frau absolut keine historischen/politischen/sozialen etc. Schlüsse zog, vielleicht weil dieses eine Mal die Schönheit die Wahrheit besiegte — doch das ist eine Mutmaßung, die ich kaum anstellen kann ohne die Hilfe meiner Frau, um die ich allerdings nicht oft bitte, da ich unmöglich wissen kann, ob es nicht eine ganz andere Richtung gibt, in die jemand, der mehr (oder weniger) mit dem Thema vertraut ist, mich führen könnte. Mein Sohn verbrachte viel Zeit auf einer Art Luftmatratze mit Paddel und sammelte Steine und Muschelschalen, mit denen er sein nächstes Möbelstück verzieren
wollte — ein Nähkästchen für die Frisierkommode seiner Mutter. Außerdem lernte er eine ganze Reihe neuer Freunde kennen, ziemlich nette Freunde, mit denen er Minigolf, Shuffleboard und Kricket spielte. Meine Tochter hatte inzwischen das Sonnenbadealter erreicht und lag die ganze Zeit am Strand, meistens mit dem Gesicht nach unten. Einige der Jungs, die offensichtlich nichts anderes zu tun hatten, als die ganze Zeit den Strand auf und ab zu schlendern und nie naß zu werden, musterten sie eingehend. Warum, war nicht schwer zu verstehen. Sie war allerdings noch immer ein Kind, wenn’s darum ging, Eis zu essen oder Achterbahn zu fahren. Wir frühstückten getrennt, je nachdem, wann uns der Sinn danach stand, was normalerweise folgende Reihenfolge bedeutete: meine Frau, mein Sohn, meine Tochter, ich. Mittags und abends aßen wir jedoch gemeinsam. Einmal verdarb uns Virginia den Spaß, indem sie bemerkte, wie schön sie es doch fände, wenn die Hambles dabei wären und das alles mit uns genießen könnten.
Meine Frau legte sich ebenfalls in die Sonne und planschte im Meer. Sie brachte aber auch viel Zeit nutzbringend zu, indem sie las. In diesem Urlaub las sie drei Bücher erhebender (niederschmetternder) Art, versuchte aber nicht, unser Interesse daran zu wecken. Insgesamt war sie in eher nachdenklicher Stimmung und zeigte mir eine ungewöhnliche Zuneigung, wenn auch eher in Häufigkeit als in Tiefe oder Neuheit. Wir schliefen viermal miteinander, die ersten drei Male mit ihr obenauf, weil sie am Rücken zuviel Sonne abbekommen hatte. Rittlings auf mir, den Oberkörper aufgerichtet, die Augen geschlossen, als stellte sie sich vor, sie würde blindlings, in wilder Flucht oder Verfolgung, über Berg und Tal galoppieren, in seliger (nach ihrem Aussehen zu urteilen) Versunkenheit nicht daran denkend, daß auch ihr Hengst einen schmerzenden Rücken von zuviel Sonne hat. Aber sie war es, die schnaubte, und ich rief einmal: »Hussa, hü-hott!« Beim vierten Mal bat sie mich, langsam und zärtlich zu sein, und ich war es auch. Das müde Roß knabberte und nuckelte, und der Schauder in seinen Lenden kam gerade rechtzeitig, eine Sekunde oder zwei bevor wir, jeder auf seine Art, eindämmerten, wobei sie mich lange
wach hielt, weil sie, im Tiefschlaf, die Rolle des Pferds übernahm. Beim dritten Mal beobachtete ich am Anfang, wie ihre Brüste vor meinem Gesicht hin- und herschwangen, und gab einer sogar einen leichten Klaps, damit sie heftiger schwang, und sagte: »Ding, dong, Glocke, Muschi ist in der ... Hocke?« Sie grinste auch darüber nicht, kniff nur die Augen noch fester zusammen, so daß sie durchaus in Ekstase hätte sein können. Nur ein Gedanke in diesem Augenblick. Warum schreibe ich das auf, obwohl nicht die geringste Chance besteht, daß irgend jemand das je lesen wird, und ich es nie schreiben würde, falls die Chance bestünde? Nur für mich selbst also? Aber warum reicht es dann nicht,
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