Ein unauffälliger Mann - Chadwick, C: Ein unauffälliger Mann - It's All Right Now
Abwesenheit leer oder zumindest fast leer bleiben würde, weil das dann die Frage aufwerfen würde, was um alles in der Welt ich nach meiner Rückkehr tun sollte. Das alles so auszuarbeiten erforderte viel Zeit, und ich machte ein wenig später als normal Feierabend und ging mit zusätzlichem Ballast in meiner Aktentasche nach Hause.
Als Plaskett aus seinem Urlaub zurückkehrte, hatte sein Schritt etwas deutlich Federndes und sein Gesicht eine Bräune, die ihm ein beinahe menschliches Aussehen verlieh. An seinem ersten Morgen winkte er mir doch tatsächlich zu, als er aus dem Lift stieg (ich hatte die Tür angestarrt und auf ihn gewartet) und rief: »Morgen, Tom.« Er freute sich wirklich, wieder da zu sein, die Ratte. Ich dagegen brauche am dringendsten Urlaub, wenn ich gerade aus einem zurück bin. Dasselbe dürfte für alle anderen gelten, bis auf Plaskett. Er rief mich zu sich.
»Wie läuft’s?« fragte er und rieb sich die Hände, ich schwöre es.
»Soweit alles gut. Die brasilianischen Zahlen waren ’ne ziemlich harte Nuß. Bei dieser ganzen Inflation.«
»Weiß auch nicht, warum wir uns mit Lateinamerika herumschlagen, Sie vielleicht?«
Das klang vielversprechend, denn je weniger er sich mit etwas herumschlagen will, um so weniger muß ich mich damit herumschlagen. »Ehrlich gesagt, ich auch nicht. Die Profite sind höchstens marginal.«
Da dies genau die Worte waren, die er schon einmal mir gegenüber verwendet hatte, verführten sie ihn dazu, zu nicken und zu erwidern: »Wie ich ja bereits gesagt habe.« Er warf einen flüchtigen Blick auf einige Zusammenfassungen, die ich in seiner Abwesenheit
verfaßt hatte. An sich waren sie absolut wertlos, aber sie präsentierten sich auf eine neue Art, die ich zufällig in einem obskuren amerikanischen Management-Journal entdeckt hatte, und ich hoffte, das würde ihn beeindrucken. Ein kurzes Zucken seiner Augenbrauen. Nicht mehr.
»Ein Szenenwechsel ist schon eine feine Sache«, sagte er.
»Dann hatten Sie einen schönen Urlaub?«
»Perfekt. Komme mir vor wie neugeboren. Habe mir da so ein kleines Häuschen auf Ibiza gemietet. Waren Sie schon mal dort?« Ich schüttelte den Kopf. Er wußte natürlich verdammt gut, daß ich noch nie dort gewesen war. »Hotelanlage mit Chalets außen rum. Sie wissen schon. Wunderbarer Swimmingpool, großartiger Golfplatz, erstaunlich gutes Essen und viel zuviel von dem billigen, einheimischen Wein. 0 Mann, und wie man da geschlafen hat. Die Kinder waren ganz begeistert. Sie sollten es auch mal probieren.« Es entstand eine längere Pause, während er, von mir abgewandt, zum Fenster hinausschaute. »Auch nicht so teuer ... na, zumindest im Verhältnis zu dem, was man bekommt.«
In diesem kurzen Augenblick stellte ich ihn mir als Vater vor, das Verhalten, das dazu geführt hatte, und mit was für einer Frau er diese Kinder hatte. Ich hatte ihn nie so abstoßend gefunden. Vielleicht war es das Bild, wie er vom höchsten Sprungbrett des wunderbaren Swimmingpools ins Wasser springt, nachdem er zuvor eine Runde Golf deutlich unter seinem Handicap gespielt hat, wobei er sich wohl kaum als jemanden betrachten dürfte, der so etwas hat. Ich fragte mich, ob er Haare auf der Brust hatte, und falls ja, in welcher Menge. Ich fragte mich, was für eine Art Badehose er trug und wie er mit nassen Haaren, die ihm an Schläfen und Ohren klebten, aussah. Ich sah ihn in der Dusche laut singen. Was mich am meisten abstieß, war, daß er es nach alldem nicht erwarten konnte, wieder in die Arbeit zu kommen. Er betrachtete die Akten in seinem Eingangskorb mit dem gierigen Grinsen, das die meisten von uns nur für das erstaunlich gute Essen und die Vertreterinnen des anderen Geschlechts am Swimmingpool übrighaben. Da nun allmählich nackter Neid die Reinheit meines Hassens besudelte, schaute ich ihn mir genauer an.
»... und wieder zurück in die Tretmühle«, sagte er nun mit einem Grinsen und vergaß zum Glück, mich zu fragen, wann und wohin denn ich in Urlaub fahre. Ich hatte nur wenig Lust auf sein unsichtbares Hohnlächeln über die englische Küste, und dies dann auch noch überschattet von der Aussicht, daß er mir am Nachmittag vor Urlaubsbeginn eine lange Liste schicken würde mit Aufgaben, die »nach Ihrer Rückkehr so schnell wie möglich« zu erledigen seien. Ich schloß seine Tür und murmelte: »Plaskett, du bist ja ein solches Arschloch«, und das schrieb ich zwanzigmal auf meinen Notizblock, bevor ich mir die brasilianischen
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