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Ein unauffälliger Mann - Chadwick, C: Ein unauffälliger Mann - It's All Right Now

Ein unauffälliger Mann - Chadwick, C: Ein unauffälliger Mann - It's All Right Now

Titel: Ein unauffälliger Mann - Chadwick, C: Ein unauffälliger Mann - It's All Right Now Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Chadwick
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Chancen zur Zügellosigkeit hin und her — wobei mir letzteres nicht genau in dieser Formulierung in den Sinn kam. Ich würde mir einen neuen Anzug kaufen, zwei, drei neue Anzüge, und kleine weiße Visitenkarten, die ich mir in die Brieftasche stecken und dann Kunden überreichen konnte. Schließlich stand er auf, kam um seinen Schreibtisch herum und legte mir die Hand auf die Schulter. Der leichte Druck war genau so bemessen, daß ich ihn mir auch hätte einbilden können — oder war das nur meine Einbildung?
    Seine Stimme bekam nun einen Tonfall, den ich bei ihm noch nie gehört hatte, vielleicht versuchte er etwas umzusetzen, was er über Führungsqualitäten gelesen hatte: fest und entschlossen,
nimm dich in acht, egal, wer du bist, aber nicht ohne eine gewisse Umgänglichkeit. »Sie haben sich reingekniet. Sie behalten immer einen kühlen Kopf, Tom. Sie sind loyal. Sie sind pflichtbewußt. Sie denken klar und präzise.«
    Wurde ich rot oder blaß? Beides, wie es sich anfühlte, und deshalb blieb meine Gesichtsfarbe wahrscheinlich unverändert. Kühl, genau das war es. Irgendwas dazwischen — mir war ganz einfach sehr deutlich bewußt, was für ein Schwindler ich war. Ich kam sehr schnell zu der Einsicht, daß ich es an mir absolut nicht unsympathisch fand, Plaskett plötzlich weniger unsympathisch zu finden, keine Ratte mehr oder nur eine von den kleinen, harmlosen, weißen, rotäugigen, die in Käfigen leben und die, wie wir alle in höherem Maß, als wir es zugeben wollen, nichts dagegen machen können, daß sie so sind, wie sie sind. Ich dachte daran, wie überrascht meine Familie darüber sein würde, daß ich mehr war als das, was sie mir zutrauten ... Nein, das stimmt nicht. In dem Augenblick mochte ich Plaskett. Sehr sogar. Mich auch. Ich zwinkerte so knapp wie möglich. Er lächelte so knapp wie möglich und zeigte mir dann den hochgereckten Daumen. Diese Geste erwiderte ich. Sein Lächeln blieb. 0 Mann, Donnerwetter, was für ein netter Kerl er doch eigentlich war.
    Und so kam es dann. Meine Tochter umarmte mich, mein Sohn klopfte mir auf den Rücken, und meine Frau sagte: »Na also. Ich wußte doch, daß deine Zeit noch irgendwann kommt.«
    Ich erwiderte das alles mit einem etwas selbstgefälligen Lächeln, als hätte ich etwas gewußt, was sie nicht wußten. Um das Ereignis zu feiern, lud ich sie ins Theater ein, und zwar in Agatha Christies Die Mausefalle, und ich genoß diesen kleinen Witz und machte sehr deutlich, daß diesmal ich den Ton angab, nachdem meine Frau nur ein sonntägliches Mittagessen lang versucht hatte, mich zu Shakespeare zu überreden. Ich dachte an die Geschenke, die ich ihnen aus diesen weit entfernten Städten mitbringen würde: lederne Handtaschen, Parfums, Schmuck, Briefmarken für meinen Sohn usw. (Der einzige Haken an der Sache war, daß ich, bei all dem Herumreisen und dem Spät-nach-Hause-Kommen, das ich nun würde tun müssen, viel von meinem geliebten Fernsehen verpassen
würde. Das würde wahre Wunder wirken auf die aktive Unabhängigkeit meines Geistes usw., wie zuvor schon besprochen — und welche anderen Einflüsse, sofern vorhanden, diese Leerstelle füllen würden, würde ich so hinnehmen müssen, wie sie kämen.) Ich stellte mir vor, daß ich Zigarren rauchen und mir eine gewisse Stattlichkeit zulegen würde. Ich gefiel mir außerordentlich gut in meiner neuen Rolle, und das um so mehr, als mir dieses Gefühl nicht sehr gefiel. Ich dachte sogar daran, mit dem Golfspielen anzufangen und alle Gedanken an Zügellosigkeit fahrenzulassen, ein perfekter Familienvater zu werden, der in ausländischen Restaurants mit den Leistungen seiner Kinder und der Arbeit seiner Frau für die Armen und Bedürftigen prahlt und dann völlig Fremden ihre Fotos zeigt. Ich stellte mir vor, vor dem Aufsichtsrat aufzutreten, und hörte Plaskett sagen: »Tom Ripple ist eben aus Brasilien zurückgekehrt, und ich dachte mir, er sollte uns persönlich von seinen Erkenntnissen berichten. Sie haben seinen Bericht vorliegen ...« Und der Vorsitzende würde hinzufügen: »Und was für ein außerordentlich gründlicher und gut geschriebener Bericht.« Ich würde ihnen allen in die Augen schauen und langsam und mit deutlicher, ruhiger Stimme sprechen und durchdachte Empfehlungen abgeben, und Plaskett neben mir würde die ganze Zeit weise nicken. Und hinter meinem Rücken würde es heißen: »Muß man im Auge behalten, diesen Ripple. Der macht sich sehr gut.« Und so weiter.
     
    Und so in etwa

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