Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein unauffälliger Mann - Chadwick, C: Ein unauffälliger Mann - It's All Right Now

Ein unauffälliger Mann - Chadwick, C: Ein unauffälliger Mann - It's All Right Now

Titel: Ein unauffälliger Mann - Chadwick, C: Ein unauffälliger Mann - It's All Right Now Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Chadwick
Vom Netzwerk:
zu bringen.
     
    Mit meiner Tochter ist es ganz anders. Manchmal mache ich mir ernsthaft Gedanken darüber, wie sehr ich meine Tochter liebe. Als ich zum ersten Mal mit ihnen beiden etwas unternahm, zankten sie sich unaufhörlich. Nie wieder. Wir gingen zu einer Bootsausstellung, und meine Tochter interessiert sich noch weniger für Boote als ich. Schon nach der ersten Schaluppe, oder wie das Ding hieß, taten ihr die Füße weh. Mein Sohn war fasziniert von all dieser Handwerkskunst und strich mit der Hand über Holzarbeiten und andere glatte Oberflächen, die charakteristisch für Boote sind. Abgesehen von der Tortur, die ihren Füßen angetan wurde, sagte meine Tochter erst ihrem Bruder, dann mir, daß ein Boot eben auch nur ein Boot sei, nicht? Ich hätte ihr wohl zugestimmt, wäre da nicht das Interesse meines Sohns gewesen und wären da nicht Mengen gut (knapp) gekleideter Mädchen gewesen, die die Boote präsentierten oder die Aufmerksamkeit auf sie lenkten, indem sie in Männerköpfen Assoziationen erzeugten, die mit Segeltörns auf stillem Wasser und Nächten in engen Kajüten zu tun hatten. Sie hatten ein nettes, anzügliches Komm-doch-an-Bord-Lächeln, einige dieser Mädchen (alle, wenn ich es mir recht überlege), und Körper, die beim Herumklettern zwischen Spieren und Ruderpinnen, Pollern und Luken beständig Unaufmerksamkeit erzeugen würden in bezug auf das, was die Karten über Riffe und Sandbänke sagten, was, wie das Glück eben spielt, zu Schiffbruch und verlassenen Inseln führen würde. Und ähnlich wichtig, sie bildeten einen deutlichen Kontrast zu meiner Tochter, die eine geflickte und ausgefranste, eher graue als blaue Jeans trug und ein Oberteil aus einem ehemals purpurfarbenen Stoff, der über ihren BH-losen Brüsten (für meine Augen) obszön hüpfte und glänzte. Daß sie in dem Alter schon so herunterhingen, war das normal? Auch war ihr Gesicht an diesem Tag ein wenig pickelig. Ich nahm ja hin, daß ihre ausgelatschten Turnschuhe ihr vielleicht wirklich
die Füße marterten, aber doch nicht so sehr. Und mir ging der Gedanke einfach nicht mehr aus dem Kopf, wie sehr die stinken mußten. Vielleicht wurde sie in ihrer neuen Fraulichkeit von ihrer Biologie gequält. (Ich stellte mir nicht nur ihre Füße vor, als sie sich über sie beklagte.) Wir mußten sie auf einer Bank zurücklassen, weil sie meinte, sie fühle sich schwach, und mein Sohn sagte: »Mann! Verdammter Spielverderber.« Später sagte sie, Boote seien doch nur etwas für Reiche, das müsse doch sogar er sehen, und die ganze Ausstellung sei eine Provokation für die Armen und Unterprivilegierten. Ich bekam das natürlich mit, wie es beabsichtigt war, und hätte beinahe etwas darüber gesagt, wofür Mädchen nur seien, meinte aber dann lediglich, daß eine Fahrrad- oder Schuhausstellung für unsere Fußsohlen noch schlechter wäre. Meine Tochter zog eine Schnute, und mein Sohn lachte. Ich hatte ihn zum Lachen gebracht, hurra, und zwar auf Kosten meiner Tochter.
     
    Ich unternehme nur selten etwas mit meiner Tochter. Mir fällt einfach nichts ein, was ihr Spaß machen würde. Sie hat kein großes Interesse an Kleidung, außer an Sachen, die sie in Läden in irgendwelchen kleinen Nebenstraßen kaufen kann, Sachen, die bereits getragen oder abgetragen wurden oder zumindest so aussehen, von irgendwelchen Leuten, egal, welchen Geschlechts. Ich gebe ihr Geld, das sie ausgeben kann, wie es ihr beliebt. Ich gebe ihr mehr als meinem Sohn und bitte sie, es ihm nicht zu sagen. Vielleicht will ich wegen dieses Lachens Wiedergutmachung leisten. Sie sagt, sie gibt einiges davon für Pop-Platten aus, die den Sachen ähnlich sind, die ich manchmal durch Zufall im Radio höre. Sie ist ein nachdenkliches, gefühlvolles Mädchen oder möchte wenigstens dafür gehalten werden, und es überrascht mich, daß sie Geschmack findet an dem hysterischen Getöse und dem so ziemlich wortlosen Vokabular dieser Songs. Vielleicht ist genau dieses Schrille ein Gegenpol zu ihrem mangelnden Selbstbewußtsein. Ich habe keine Ahnung. Ich selber ließ mich nie gern anschreien und mochte auch nicht, daß andere angeschrien wurden, und mir gefällt der Gedanke nicht, daß meine Tochter mit Lärm bombardiert
wird, vor allem einem Lärm, in dem soviel Prä-Sprache wirbelt.
    Wenn ich nur wüßte, worüber ich mit ihr reden soll. Normalerweise gehen wir ins Kino und entweder davor oder danach in ein Cafe, um einen Kaffee oder sonstwas zu trinken. Davor ist mir lieber,

Weitere Kostenlose Bücher