Ein unauffälliger Mann - Chadwick, C: Ein unauffälliger Mann - It's All Right Now
weil wir dann nicht soviel über den Film reden müssen, seine Großartigkeit oder Grottenschlechtigkeit, denn bei diesem Thema achte ich immer sehr darauf, mit ihr einer Meinung zu sein. Jetzt, da sie schon fast eine Frau ist, will ich gar nicht mehr entdecken, wie wenig wir gemeinsam haben. Wenn sie erst eine ist, wird sie auch eine Mutter werden, und ich hoffe, daß sie dann auch einen Gatten oder wenigstens einen Mann hat, der, aus welchem Grund auch immer, nicht aufhört, sich für sie zu interessieren, auch wenn das mit seiner Vaterschaft nichts zu tun hat. So sehr liebe ich sie. Worum es mir geht: Ich will nicht, daß man sie vögelt und sitzenläßt. Ich will vor allem nicht, daß man sie vögelt und sitzenläßt, wenn sie nicht aufgepaßt hat. Wenn man wirklich sehr gut aufpaßt, so gut, wie man eben immer aufpassen sollte, besteht eher das Risiko des Kommens und Gehens. Andererseits will ich nicht, daß sie sich »einläßt« oder sich im wesentlichen Augenblick sagt, daß sie es nicht tun wird, obwohl sie es bereits getan hat, oder sich einläßt und kurz darauf bereits verlassen ist, da er eben doch nur gekommen und gegangen ist. Um es klar zu sagen, ich will nicht, daß sie überhaupt gevögelt wird, niemals. Nicht einmal von ihrem Gatten. Obwohl ich gern hätte, daß sie ein oder zwei Kinder hat. So sehr liebe ich sie eben auch. Mir gefällt die Vorstellung, daß sie Mutter ist und ich Großvater bin, allerdings eher für die Kinder meines Sohns als die meiner Tochter. Habe ich Schwierigkeiten, mir meinen Sohn beim Geschlechtsverkehr vorzustellen? Darüber denke ich nur nach, wenn ich mir vorstelle, Großvater zu werden. Und jetzt, nachdem ich eine Weile versucht habe, an etwas völlig anderes zu denken – Kräne, die in fremden Häfen Waren ausladen, sonst etwas –, merke ich, daß der Gedanke, mein Sohn könnte die Art Mädchen ausziehen, nach der ich mich, wäre ich in seinem Alter, in Kürze umsehen würde, wobei das genau die Art Mädchen ist, nach der ich mich in meinem
Alter umsehe, ein sehr befriedigender ist, wobei ich den Gedanken genau an dem Punkt abbreche, an dem das Mädchen völlig nackt ist und mein Sohn noch nicht einmal Sakko und Krawatte abgelegt hat, denn an dem Punkt habe ich vor, selber in das Geschehen einzugreifen.
Ich kann mir bei meinen beiden Kindern nicht so recht vorstellen, daß sie bis zu diesem Grad erwachsen werden. Ich sitze meiner Tochter in einem Cafe gegenüber und wünsche mir, sie würde wegen ihrer Pickel nicht so viel Sahnetorte essen, und hoffe inständig, daß ihr nie etwas Schlimmes zustoßen wird. Die Vorstellung, sie in Tränen aufgelöst zu sehen, ist unerträglich. Ich will, daß sie Erfüllung findet, ohne berührt zu werden. Ich will nicht, daß diese primitiven jungen Männer ihr ins Ohr schreien oder mit ihren Trommeln gegen den Rhythmus ihres Herzens antrommeln. Unter keinen Umständen sollte sie je einer zum Stöhnen bringen. Ich sehe sie in einem Häuschen auf dem Land, zerzaust, aber strahlend, mit kleinen Rackern, die um sie herumwuseln und krähen. Ihr Ehemann ist ein Landarzt. Er ist ein sanfter Mann, hart arbeitend und voller Hingabe für seine Familie. Er ist außerdem ein verwirrter Arzt, weil alle ihre Empfängnisse unbefleckt waren und er annehmen muß, daß sie noch Jungfrau ist, weil er keine Möglichkeit hat, es herauszufinden. In seiner Freizeit, die er kaum hat, schreibt er über das Thema einen Artikel für The Lancett, der aber letztendlich nur vom National Enquirer angenommen wird.
Ich denke immer erst nachträglich so über meine Tochter. Wenn wir uns sehen, unterhalten wir uns recht nett, und ich merke, daß sie mir bei weitem nicht so am Herzen liegt, wie sie sollte. Vielleicht vermißt sie Zeichen der Zuneigung von meiner Seite, die sogar kommen würden, glaube ich zumindest, wenn wir über uns reden würden. Ich bedaure sie, weil sie nur ihre Mutter hat, gegen die sie rebellieren kann. Da sie so verständnisvoll im allgemeinen ist und so kundig, was die speziellen Probleme der Jugend angeht, würde sie die Rebellion schon analysieren und erklären, bevor
man überhaupt die erste Barrikade errichtet hat. Und würde man gegen die Analyse und Erklärung der Rebellion rebellieren, würde sie auch diese analysieren und erklären und endlos immer so weitermachen. Meine Tochter ist mit irgend etwas unzufrieden, und ich habe das Gefühl, ich lasse sie im Stich, weil ich kein Teil dessen bin, womit sie unzufrieden
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