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Ein unauffälliger Mann - Chadwick, C: Ein unauffälliger Mann - It's All Right Now

Ein unauffälliger Mann - Chadwick, C: Ein unauffälliger Mann - It's All Right Now

Titel: Ein unauffälliger Mann - Chadwick, C: Ein unauffälliger Mann - It's All Right Now Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Chadwick
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genießt, sie für mich aber absolut ungenießbar sind. Ich lasse mich nicht gehen, was meine Gefühle (im Gegensatz zu meinen Gelüsten) betrifft. (In jedem einzelnen Fall zwischen den beiden zu unterscheiden, kann einem bei der Entscheidung helfen, wie weit man sich gehenlassen soll, obwohl bereits dies ein ziemliches Sichgehenlassen wäre.) Sie würde sich gern bis zum Hals darin suhlen, und ich möchte mir nicht einmal die Füße naß machen. Ich kann mir vorstellen, daß sie Angie und Sprog erzählt, ihre Eltern seien getrennt, und ihr dabei die Augen feucht werden. Und entweder Angie oder Sprog sagt dann: »Aber mein Vater ist tot.«
    Wenn wir zusammen sind, kann ich meiner Tochter gegenüber nicht fair sein. Ich zweifle an ihrer Fähigkeit zum Leiden. (An der meines Sohnes zweifle ich nicht, habe aber auch mehr Grund dazu.) Wenn wir getrennt sind, stelle ich mir Sachen vor, die ihr in einem Heuschober oder einem Labor passieren könnten. Ich höre sie stöhnen und nach Hilfe schreien. Wenn wir zusammen sind, sehe ich mir ihre Pickel und ihre abgerissenen Klamotten an, höre die flüsternde Hilflosigkeit ihrer Stimme, und mein Verhalten ihr gegenüber wird hart und sehr nüchtern. Meine Hände kommen nicht einmal in die Nähe der ihren. Es ist schwer, sie auf Distanz zu halten, ohne den Eindruck zu vermitteln, ich erfüllte nur meine Pflicht, indem ich sie ins Kino ausführe, und eigentlich sei sie mir ziemlich lästig, und egal in welcher Stimmung sie sei, je schneller sie sie ablege, desto besser. Aber sobald das Zusammensein sich dem Ende nähert, fühle ich plötzlich gar nicht mehr so.
    Wenn sie dann von mir weggeht (plattfüßig und breitärschig, eigentlich gar nicht mein Typ, vor allem in Verbindung mit dem BH-losen Baumeln und Schwabbeln, das vorne passiert), habe ich
das Gefühl, daß ich nichts auf der Welt mehr möchte, als wieder mit ihr zusammenzusein. Ich befürchte, sie hat Tränen in den Augen. Ich kann sie mit Angie und Sprog über mich reden hören, wie sie mich als traurige Gestalt darstellt, die ich ja eindeutig nicht bin, ha ha. Ich schäme mich, weil ich die Aufrichtigkeit ihrer Gefühle anzweifle. Ich denke daran, wie sehr sie Mrs. Hamble mochte, und weiß, ohne es zu spüren, daß sie ein weiches Herz und eine edle Seele besitzt. Meine Zweifel sind absolut schändlich. Ich habe keinen Grund, ihre Aufrichtigkeit in Frage zu stellen. Daß meine Frau oft sagte: »Ich glaube (oder denke oder fühle) aufrichtig (oder ehrlich) ...« wirft allerdings einen langen Schatten  – man könnte fast auf den Gedanken kommen, daß Glauben und Aufrichtigkeit usw. fast immer, im allgemeinen, meine ich, nur simuliert sind. Ich wünsche mir nur, daß meine Tochter nicht immer so verdammt elend aussehen würde, wenn wir zusammen sind. Ich würde sie gern zum Lachen bringen, oder wenigstens zu einem Lächeln, das nicht nur wehmütig ist. Aber sie würde dann wahrscheinlich nur denken, ich wolle mich selber aufmuntern. Womit sie recht hätte. »Mein Vater versucht immer, Witze zu reißen«, würde sie zu Angie und Sprog sagen, und eine der beiden würde erwidern: »Mein Vater reißt überhaupt keine Witze, weil er nämlich tot ist.«
     
    Wir hatten einen sehr glücklichen Nachmittag miteinander, meine Tochter und ich, als wir bei Harrods Preiseraten spielten, wobei es darum geht, mit drei Versuchen auf wenigstens fünfundzwanzig Prozent zu kommen. Das Spiel endete, als ich mich hinsetzte und die Beine ausstreckte und das Gewicht einer schwarzen Lederaktentasche mit Goldbesatz prüfen wollte. Nach kürzester Zeit kam ein Verkäufer mit ernster, aber unterwürfiger Miene in grauer Weste und passenden Wildlederschuhen zu mir und warf meinem errötenden und schmuddelig gekleideten Nachwuchs einen Blick zu, der seine Unterwürfigkeit sehr schnell verlor. Ich ließ ihm keine Chance, seine Hilfe anzubieten, sondern klopfte auf meine Brieftasche und sagte: »Ein Nachlaß, wenn ich ein Paar kaufe, wenn Sie so freundlich wären, eine zweite zu holen? Aber
überstürzen Sie nichts, die Erbschaft ist noch nicht ganz durch. In Echtleder haben Sie die nicht zufällig da?«
    »Wenn ich Sie darauf hinweisen darf, Sir, diese Tasche stammt aus Finnland. Echtes Rentierleder«, erwiderte er, während meine kichernde Tochter sich davonschlich und einen länglichen Lampenschirm betrachtete, von dem sie mir später erzählte, er sei aus der Blase eines Kamels gemacht. (Licht am Ende des Tunnels, meinte ich darauf.)
    »Ach,

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