Ein unauffälliger Mann - Chadwick, C: Ein unauffälliger Mann - It's All Right Now
mich, mir meinen Sohn mit erigiertem Penis vorzustellen oder meine Frau beim Verkehr mit einem anderen Mann oder, was das angeht, auch mit mir, jetzt, da ich nicht mehr der Mann bin, der ich einmal war. Wenn ich nichts dagegen tun kann, wie jetzt, da ich mir überlege, was eigentlich noch übrig ist, worüber ich nachgrübeln könnte, kommt es vor, daß ich laut aufkichere. Mein Gott, wenn Webb so gekonnt hätte, wie er wollte, dann hätte er uns lächerlich gefunden. Keuchen und Grunzen und Stöhnen. Das sind erstklassige Komödianten, hätte er über uns gedacht, lustiger geht’s einfach nicht mehr. Im natürlichen, bekömmlichen usw. Verlauf der Dinge würden wir unsere wildesten Mätzchen bis zum Schluß aufheben, und sie wären eine Lachnummer.
Da ich versuche, meine Frau zu vergessen, wäre es mir lieber, ich würde sie nicht lustig finden. (Ich habe nichts dagegen, mich selber lustig zu finden, vorausgesetzt, es ist niemand da, der mit mir lacht.) Ich mag den Gedanken nicht, daß meine Frau glaubt, ich würde sie hinter ihrem Rücken auslachen. Ich mag den Gedanken nicht, daß meine Frau glaubt, ich würde an sie beim Liebesspiel
mit einem anderen denken. Nicht daß ich auch nur für einen Augenblick glaube, daß sie es tun würde. Allerdings hoffe ich, daß sie es tut, damit ich mir weiter einreden kann, daß ich nicht gern daran denke.
Ich will nur, daß uns im Lauf der Jahre eins gemeinsam bleibt, das Wissen nämlich, daß wir Kinder haben (wie wir das geschafft haben, dürfte dann irgendwann ein nebelhaftes Geheimnis sein, über das keiner mehr nachdenkt), Kinder, die sich letztendlich recht gut entwickelt haben. Ich will, daß wir uns am Ende unseres Lebens nur an die Tage erinnern, als sie sie aus dem Krankenhaus nach Hause brachte, wie sehr wir sie betütelten (sogar meine Frau betütelte sie in den ersten Tagen, nachdem sie unsere Babys nach Hause gebracht hatte), daß ich anfangs zu sehr zitterte, um Virginia in den Arm nehmen zu können, und sie mitten in der Nacht weckte, wie alle Väter es tun müssen, um zu sehen, ob sie noch lebte, denn sie sah so schwach und körperlos aus und schlief so friedlich. Damals dachte ich: »Für diese Kleine ist die Welt ein viel zu rauher Ort. Sie wird nie für sie bereit sein. Ich habe ihr nicht genügend Robustheit und Kraft mitgegeben. Sie hat nicht genug von ihrer Mutter in sich.« Und tatsächlich glaubte ich, ihre Mutter würde zu grob und barsch mit ihr umgehen, außer wenn sie ihre Brüste herausholte und Virginia an ihnen saugte. Dann war sie sehr heiter und zärtlich, und ich hoffte, sie würde das auch weitergeben. Bei Adrian schaute ich nicht mehr zu, wie sie ihn stillte, denn da waren ihre Brüste schon zu schlaff und schwabbelig und drängten mich geradezu zum Vergleich mit denen in den Hochglanzmagazinen, die zu der Zeit immer stärker auf den Markt kamen. Jetzt sind es die Attribute meiner Tochter und ihrer Vergleichbarkeit, an die ich nicht zu denken versuche, wenn ich diese expliziten Fotos in den Auslagen der Zeitungskioske sehe, vor allem in einigen Großstädten im Ausland – hier kommt mir Skandinavien in den Sinn, aus Gründen, die ich im Augenblick nicht benennen kann. Ich bin kein ehrbarer, verheirateter Mann, aber dies alles entwürdigt mich, ich weiß. Es ist nur so, daß es genau diese Gedanken sind, bei denen ich mich ertappe, wenn es um
Brüste geht. Ist es weniger entwürdigend, gewisse Gedanken gar nicht erst zuzulassen? Natürlich.
Diese ersten Tage, als meine Frau unsere Kinder nach Hause brachte, an die erinnere ich mich noch sehr gut. Ich habe viele gute Zeiten erlebt. Ich habe viel gelacht, aber diese Tage waren die allerbesten. Ich war wie außer mir damals, stand vor dem Spiegel und fragte mich: »Kann das alles wirklich wahr sein?« Damals liebte ich meine Frau. Ich war ihr dankbar, denn sie machte mir bewußt, daß ich zu einer solchen Liebe fähig war. Vielleicht werde ich mich später im Leben auf die gleiche Art an die Tage erinnern, als meine Kinder heirateten, die Tage, als sie mich zum Großvater machten. Ihre Ehepartner kann ich mir nicht vorstellen. Ich glaube nicht, daß ich ganz (überhaupt?) mit ihnen einverstanden sein werde. Vielleicht werde ich zum Mann meiner Tochter sagen, wenn er sie den Mittelgang einer Kirche entlang- oder aus einem Standesamt herausführt: »Soweit okay, alter Knabe, aber laß ja die Finger von ihr.« Aber sie wird dann nur Augen für ihn haben. Sie wird ihn tun lassen, was
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