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Ein unauffälliger Mann - Chadwick, C: Ein unauffälliger Mann - It's All Right Now

Ein unauffälliger Mann - Chadwick, C: Ein unauffälliger Mann - It's All Right Now

Titel: Ein unauffälliger Mann - Chadwick, C: Ein unauffälliger Mann - It's All Right Now Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Chadwick
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wir bei allen möglichen Sachen empfinden.«
    »Weil du es nicht so genau weißt?«
    »Weil ich es ganz genau weiß, Dummkopf.«
    So erkannten mein Sohn und ich, was ein Teufelskreis ist.
     
    Meine Kinder entfremden sich von mir. Sie stehen an der Schwelle ihrer Zukunft. Ich denke in solchen Klischees an sie oder träume von ihnen. Ich sehe sie eine dunkle Diele in einem kleinen Haus betreten und es durchqueren bis zu einer Terrassentür, hinter der ein großer, flacher grüner Park liegt wie der in diesem anderen Traum. Es ist so dunkel, daß ich nicht erkennen kann, ob sie sich umdrehen und winken. Ich sehe nur ihre immer kleiner werdenden Silhouetten. Leute ihres Alters gesellen sich zu ihnen, die Silhouetten werden breiter und geraten in Bewegung. Ich drehe mich um und gehe durch einen Hinterhof mit einer Mülltonne, einem Kinderwagen und einem alten Fahrrad darin, und hinter dem Hof liegen rauchgeschwängerte Konferenzzimmer und Flughafenwartehallen und Schwingtüren, die von lärmenden, stinkenden Großstadtstraßen in Innenräume führen, und Hotelzimmer, in die üppig mit Essen und Trinken beladene Servierwagen geschoben werden.

     
    Ich denke kaum an meine Frau und ihren neuen Mann. Sie versuchen, eine bessere Welt zu erschaffen. Es ist eine Welt, in der ich gern leben würde, vorausgesetzt, sie würde mich so sein lassen, wie ich bin. Ich bin sehr gern bereit, zu dieser Welt meinen Steueranteil beizutragen. Ich sehe natürlich, daß das Wohlergehen der Welt Geld kostet. Ich bin keiner, der denkt: Leck mich, Kumpel, mir geht’s doch gut. Wenn ich keine andere Wahl hätte, dann hätte ich nichts dagegen, nicht nur mein Geld, sondern auch meine Zeit beizusteuern. Ich bin ein guter Funktionär. Nicht einmal in Gedanken würde ich mich der Revolution widersetzen, außer im Abscheu gegen die Leute, die sie angezettelt hatten. Ich hätte nichts dagegen, dem Staat meine Dienste zu verkaufen, wie es meine Frau und ihr Mann tun. Ich hätte gern das Gefühl, etwas, irgend etwas, gegen das menschliche Elend zu tun. Aber ich hatte die Wahl und habe mich dagegen entschieden. (Ich bin nicht sehr großzügig, wenn es um Spenden für wohltätige Zwecke geht, doch um wenigstens mir selber gegenüber großzügig zu sein, muß ich sagen, daß ich auch nicht geizig bin. Die Leute sagen, sie geben, was sie sich leisten können, oder suchen sich einen bestimmten wohltätigen Zweck und verweigern sich den anderen. Sie scheinen die Ausrede zu brauchen, wollen sie sich doch einerseits gut fühlen, sich andererseits deswegen aber nicht schlecht fühlen. Sie gehen das Risiko nicht ein, zuviel zu geben und sich dann so gut zu fühlen, daß sie sich später dabei ertappen, sich deswegen schlecht zu fühlen. Eigentlich können sie es sich nicht leisten, überhaupt darüber nachzudenken.)
    Wie auch immer, die bessere Welt würde mich zwingen müssen, dürfte mir keine Chancen geben. Aber dann würde mir natürlich das wenige, was ich zur Linderung des menschlichen Leidens beigetragen habe, keine Befriedigung bereiten. Befriedigung stellt sich dann ein, wenn man Alternativen hat, wenn man selbst entscheiden kann – und im Endeffekt entscheidet man sich fast immer für sich selbst. Ich befürchte, daß ich, würde ich mir die Sache noch einmal durch den Kopf gehen lassen und sie gründlich überdenken, meinen Kuchen haben und auch essen will. Ich hatte die Wahl gehabt, Plaskett eins auszuwischen, mich meinem
Sohn zuliebe für Tischlerei zu interessieren, meiner Frau zuliebe gemeinnützige Arbeiten zu übernehmen (was meiner Tochter zuliebe?), und ich habe mich immer dagegen entschieden. Die Liste ist endlos. Ich glaube, am liebsten wäre es mir, wenn ich gar keine Entscheidungen treffen müßte, dann würde ich auch niemanden um das beneiden, was er für andere oder was er ausschließlich für sich selber tut, um diesen Unterschied einmal deutlich herauszustellen. Ich kann nicht so tun, als würde ich meine Freiheit eifersüchtig hüten.
     
    Meine Kinder reisen von mir weg. Meine Frau hat das Reiseziel schon vor langer Zeit erreicht. Ihre Körper und Seelen haben sich völlig von mir gelöst. Wenn ich in dieser Richtung weiterdenke, nähern sich meine Empfindungen immer mehr dem Abscheu. Jetzt, da meine Tochter beinahe eine Frau ist, sind ihr Blut und ihre Körperbehaarung und – gerüche und – funktionen die Sachen, über die ich nachdenke, nicht über ihre Frische nach dem Bad, bevor ihre Fraulichkeit einsetzte. Ich weigere

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