Ein unauffälliger Mann - Chadwick, C: Ein unauffälliger Mann - It's All Right Now
Häuschen am See eingeladen, das er sich kürzlich gekauft hat. Selbstverständlich habe ich die Einladung angenommen. Ich habe auch seine Frau kennengelernt. Sie holte ihn mit ihren beiden Kindern, zwei Jungs, am Flughafen ab, als wir von einer unserer gemeinsamen Reisen zurückkehrten. Sie ist eine adrette, lebhafte Frau mit langen, schwarzen Haaren und großen Augen, die mich freundlich anschauten auf eine Art, die wirkte, als wäre der Blick eigentlich für jemand (alle) anderen gedacht. Sie war offensichtlich sehr viel früher einmal Französin gewesen und bemühte sich zu sehr, so oder eben nicht mehr so zu klingen. Die Kinder schienen nett zu sein oder hatten zumindest sehr gute Manieren. Ich konnte verstehen, warum Plaskett nicht wollte, daß sie später im Leben in Kontakt mit Leuten wie mir kamen. In der Plaskett-Familie schien es absolut keine Spannungen oder Verklemmtheiten zu geben. Im Auto unterhielten sie sich sehr ungezwungen und beteiligten auch mich immer wieder am Gespräch. Mrs. Plaskett drehte sich öfter und länger zu mir um, als sie es hätte müssen, mutmaßte ich voller Zuneigung. Was hatte Plaskett ihr von mir erzählt? Mir kam der Gedanke, daß es möglich wäre, sich in sie zu verlieben. Ich stellte mir vor, wie ich der Grund ihrer verzweifelten und stummen Scham sein könnte. Ich stellte mir vor, im Augenblick, da wir alleine wären, herauszuplatzen mit: »Laß mich dein Albatros sein«, und dann: »Lust auf ’ne Nummer, Lady?« Es wäre mir allerdings lieber gewesen, meine Augen würden nicht nachdenklich wegdriften, sondern ihren Blick erwidern. Natürlich würde ich nicht das geringste unternehmen,
um herauszufinden, ob Mrs. Plaskett gern mit sich flirten ließe, ob nun ich der Flirter wäre oder irgendein anderer. Ich hätte natürlich keine Bedenken, ihr im Prinzip nachzustellen – das ist es, was langfristig zählt, hat meine Frau immer gesagt, man muß seinen Prinzipien treu bleiben.
Aber ich sitze in meinem Job noch nicht fest genug im Sattel. (Werde ich das je tun?) Unterdessen ist mir die Vorstellung angenehm, daß wir ineinander verschlungen in einem Schlafzimmer in ihrem Häuschen am See liegen, während Plaskett und seine netten Kinder in Hörweite im Wasser planschen. Der Gedanke daran genügt, und das wird auch nie anders sein. Ich lehne mich in einem Liegestuhl auf der Veranda zurück, nachdem ich von ihm mit einem Nicken und einem Grinsen einen Pimms angenommen habe, und ich rieche noch immer nach seiner Frau und zwinkere ihr hinter seinem Rücken zu, was sie zum Erröten bringt. Wenn dann später die Kinder im Bett sind, sitzen wir da und betrachten den Vollmond, der einen silbernen Pfad aufs Wasser wirft, und Plaskett merkt überhaupt nicht, daß die Gedanken seiner Frau und meine ganz und gar nicht bei der Sache sind, die offensichtlich die seinen beschäftigt, nach dem zu urteilen, worüber wir uns unterhalten. Mehr Rache brauche ich nicht. Das ist viel besser, als ihm eine tote Maus auf den Schreibtisch zu legen. Es ist mehr als genug, ihn im Geist zu betrügen, während er mich weiter nach oben zu Reichtum und Erfolg trägt. Ich mache mir bewußt, daß er mich nur mag, weil ich ihm nützlich bin. Er braucht eine rechte Hand, einen Jasager. Ich stelle mir vor, wie ich ihm eines Tages in die Augen schaue und sage: »Ach übrigens, du Trottel, ich habe auch zu deiner Frau ja gesagt, und das war wirklich nicht übel.« Na ja, das alles meine ich natürlich nicht ernst. Wichtig ist mir nur, daß ich vor mir selber nicht all die Gedanken verstecke, die mir flüchtig durch den Kopf gehen und kurz dort verweilen. Plaskett schätzt mich als ehrlichen Mann. Ich möchte dieses Vertrauen nicht mißbrauchen, indem ich nicht zugebe, daß ich auf seine Frau stehe. Ich möchte weiterhin seiner Meinung von mir entsprechen. (Übrigens, die Einladung wurde weder wiederholt, noch hätte ich sie ernst nehmen dürfen. Was mich verrät, ist die Art, wie ich sie zu der Zeit aufnahm.)
Unlängst fuhr ich mal wieder durch unsere alte Straße. Es war nur ein kurzer Umweg. Sonst hätte ich es nicht getan. Ich sah Hamble, der noch immer in seinem Garten werkelte. Er schien noch röter und noch dicker geworden zu sein. Als ich an seinem Haus vorbeifuhr, richtete er sich auf, schaute mich an und dann, mit diesem für ihn so typischen, dünnen, unsicheren Lächeln, wieder auf seine Arbeit hinunter. Er kratzte sich den Kopf und runzelte verwirrt die Stirn, aber sein Lächeln blieb. War
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