Ein unbezaehmbarer Verfuehrer
den Hang hinunterrollten. Jamie warf sich einfach auf den Boden und kullerte in schönster Selbstvergessenheit los, keinen Gedanken verschwendend an mögliche Hindernisse oder wo er letztlich landen würde. Abigail hingegen schlug sorgsam ihre Röcke unter, ehe sie sich hinlegte, streckte die Arme hoch über den Kopf und rollte langsam, in gerader Linie, den Hang hinunter.
„Puddles gefällt dir nicht?", fragte Helen. Sie hatte ihr Gesicht leicht dem Wind zugewandt und sah aus wie ein Engel.
Dennoch warf er ihr einen finsteren Blick zu. „Das arme Tier wird sich zu Tode schämen, wenn es erst mal alt genug ist, seinen Namen zu verstehen."
Zweifelnd sah sie ihn an. „Seinen Namen verstehen?"
Er tat, als hätte er ihren Blick nicht bemerkt. „Ein Hund — insbesondere ein männlicher Hund — braucht einen würdigen Namen."
Beide schauten sie dem Welpen nach, der den Kindern hügelabwärts folgte, über seine großen Pfoten stolperte und in einem Knäuel aus langen Ohren und zauseligem Fell den Hang hinunterkullerte. Unten angekommen, rappelte er sich auf, schüttelte sich und wetzte den Hang wieder hinauf.
Alistair verzog das Gesicht. „Dieser Hund hat einen würdigen Namen ganz besonders nötig."
Helen kicherte.
Er konnte ein zögerliches Lächeln nicht unterdrücken. Warum auch nicht? Es war ein herrlicher Tag, und sie und die Kinder waren in Sicherheit. Fürs Erste genügte es zu wissen, dass Wiggins sich nicht in schändlicher Absicht an Abigail hatte vergreifen wollen, sondern ihr nur einen Riesenschrecken eingejagt hatte. Als Helen ihm, noch ehe sie sich zum Frühstück setzten, alles kurz erzählt hatte, war ihm ein Stein vom Herzen gefallen.
Sophia, die bei der leise geführten Unterredung dabei war, hatte nur zufrieden genickt und sich dann mit gesundem Appetit dem von Mrs McCleod aufgetischten Porridge, den Eiern und dem Speck gewidmet. Wenig später waren sie und Miss McDonald nach Edinburgh aufgebrochen. Mit gemischten Gefühlen hatte er der Kutsche nachgeschaut. Mit niemandem konnte er so schön zanken wie mit seiner Schwester — er hatte ganz vergessen, wie sehr ihn ihre Gesellschaft freute —, andererseits war er froh, die Burg wieder für sich und Helen allein zu haben. Sophia war einfach zu scharfsinnig; ihren Augen entging nichts.
Den Rest des Vormittags hatte er in seinem Turmzimmer verbracht, wo er gut mit der Arbeit vorangekommen war, doch als Jamie beim Mittagessen wieder von den Dachsen angefangen hatte, die sie am Tag zuvor vergeblich gesucht hatten, war daraus die Idee entstanden, am Nachmittag gemeinsam einen Spaziergang zu machen — weshalb Alistair seine Arbeit nun abermals vernachlässigte.
„Du hast gesagt, die Kinder dürften einen Namen für ihn aussuchen”, erinnerte ihn Helen.
„Stimmt, aber ich habe auch gesagt, dass Puddles nicht infrage kommt."
„Hmmm." Sie schwieg einen Moment. „Ich habe dir noch nicht für heute Morgen gedankt."
Er tat es mit einem Schulterzucken ab. „Keine Ursache."
Am Fuße des Hügels stand Abigail vorsichtig auf und schüttelte ihre Röcke aus. Obwohl sie nun schon einige Male den Hang hinuntergerollt war, schaffte sie es immer wieder auf wundersame Weise, nicht einen Grasfleck auf ihren Kleidern zu haben.
Schweigend trat Helen näher und griff im Schutz ihrer Röcke nach seiner Hand. „Ich bin so froh, dass du da warst und sie beschützen konntest."
Er sah sie von der Seite an.
Ihr Blick war mit leiser Wehmut auf Abigail gerichtet. „Sie ist sehr eigen, so gar nicht das, was ich von einer Tochter erwartet hatte, aber wahrscheinlich müssen wir einfach annehmen, was Gott uns geschenkt hat."
Er zögerte einen Moment. Eigentlich war es ja nicht seine Angelegenheit, aber dann meinte er doch, wenn auch recht barsch: „Sie hat Angst, dass sie nicht deinen Erwartungen entspricht."
„Meinen Erwartungen?" Entgeistert schaute sie ihn an. „Das hat Abigail zu dir gesagt?"
Er nickte.
Sie seufzte. „Ich liebe sie wirklich sehr — natürlich tue ich das, sie ist ja schließlich meine Tochter —, aber verstanden habe ich sie nie. Sie kann so launisch sein, so furchtbar ernst für ihr Alter. Nicht dass ich ihr das zum Vorwurf machen würde; ich wüsste nur gern, wie ich sie glücklich machen kann."
„Vielleicht brauchst du das gar nicht."
Fragend sah sie ihn an. „Was soll das heißen?"
Er zuckte die Achseln. „Ich bin natürlich keine Autorität auf diesem Gebiet, aber vielleicht braucht es das einfach nicht, sie
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