Ein unerhörter Ehemann (German Edition)
»Manche leitet er einfach weiter, andere formuliert er selber. Ich habe sie geordnet.« Sie hob ein gutes Drittel des Stapels hoch. »Dies sind Anfragen zu Ackerbau und Bodenverbesserung, jene betreffen das Herrenhaus, und das letzte Drittel sind Fragen zu allen möglichen Problemen.«
»Nehmen wir uns die doch als Erstes vor«, sagte Cam. Er stand auf, schob Gina den Stuhl heran, setzte sich und nahm einen Brief zur Hand. »Warum will er denn unbedingt die Hecken beschneiden? Warum lässt man sie nicht einfach wachsen?«
»Die Hecken verlaufen zwischen den Feldern«, erklärte Gina, »und weil die Jäger während der Fuchsjagd darüber springen, darf eine bestimmte Höhe nicht überschritten werden.«
Cam blickte sie finster an. »Und wer jagt auf unserem Land?«
Gina zog eine Augenbraue hoch. »Du zum Beispiel?«
»Ich jage nicht!«
»Oh. Aber dein Vater war … «
»Ich weiß«, sagte er ein wenig resigniert. »Mein Vater war ein passionierter Jäger. Und er hatte noch mehr Spaß an der Sache, wenn er in der Hitze des Gefechts die Gärten anderer Leute verwüsten konnte. Was hast du Bicksfiddle denn geantwortet? Sind die Hecken zu einer überspringbaren Höhe zurückgestutzt worden?«
Gina zögerte einen Augenblick, dann sagte sie: »Nachdem dein Vater 1802 bettlägerig wurde, habe ich die Hecken wachsen lassen. Bicksfiddle gefällt das nicht, und er schickt jedes Jahr schriftlich die Anfrage, ob wir bitte die Hecken beschneiden wollen.«
Cams Lächeln verunsicherte Gina. Sie blinzelte und nahm rasch den nächsten Brief vom Stapel. »Das ist die Aufstellung der Kosten für das Erntedankessen im Dorf.«
»Ich kann mich an gar kein Erntedankessen erinnern«, sagte Cam.
»Nun, die Ernte im Jahr 1803 fiel sehr schlecht aus«, erläuterte Gina, »und deshalb habe ich dieses Essen eingeführt. Außerdem«, fügte sie ein wenig trotzig hinzu, »habe ich den Wald für die Jagd freigegeben. Ich fürchte, auch darüber wird Bicksfiddle sich bei eurer nächsten Begegnung bitterlich beschweren.«
»Warum sollte er sich überhaupt daran stören?«
»Bicksfiddle hat sehr klare Ansichten über die Rolle eines herzoglichen Hauses«, erwiderte Gina. »Es hat ihm ganz besonders missfallen, als ich die Wildhüter entlassen habe. Aber es war wirklich sinnlos, sie zu behalten, da ich nicht vorhatte, Jagdgesellschaften zu veranstalten.«
Cams schiefes Grinsen erwärmte Gina von Kopf bis Fuß. »Lass mich raten«, sagte er und tippte kurz auf ihre Nase. »Die Jagdhüter mussten 1802 gehen, was zufällig auch das Jahr war, in dem mein Vater bettlägerig wurde.«
Die Innigkeit der Situation brachte Gina aus der Fassung und sie spürte, wie ihr eine leichte Röte in die Wangen stieg. »Fangen wir mit dem Haus an«, sagte sie rasch.
Cam musterte sie einen Augenblick forschend, dann nickte er. »Selbstverständlich.«
Und so saßen sie Seite an Seite, der Herzog und die Herzogin, und arbeiteten sich durch einen hohen Stapel von Briefen. Irgendwann brachte ein Diener ihnen Tee, und sie arbeiteten weiter.
Schließlich stand Cam auf und reckte sich. »Allmächtiger Gott, Gina, mein Rücken bringt mich um. Lass uns morgen weitermachen.«
Sie blickte auf und stellte überrascht fest, dass schon längst keine Sonnenstrahlen mehr durch die Fenster der Bibliothek fielen.
»Ich kann aber immer noch nicht glauben, dass ein Haushalt so viel Öl verbraucht«, bemerkte Cam. »Sechshundert Gallonen erscheinen mir doch ein wenig übertrieben.«
»Wir haben eben viele Öllampen«, erklärte Gina. »Natürlich könnten wir überlegen, im Stadthaus Gaslicht zu installieren. Die Bankettsäle im Clubhaus von Brighton zum Beispiel werden jetzt mit Gas beleuchtet, aber was ist, wenn es explodiert? Jemand hat mir mal erzählt, dass Gas furchtbar gefährlich ist.«
»Davon verstehe ich nichts«, sagte er.
»Wie haltet ihr es denn in Griechenland mit dem Licht?«
»Wir benutzen Kerzen … die Sonne scheint … die Haut einer schönen Frau strahlt.« Er beugte sich herab und küsste ihre Wange, so schnell, dass sie kaum die Berührung seiner Lippen spürte.
Gina schaute einen Moment auf ihre Hände. Sie hatte einen Tintenfleck am Handgelenk. »Cam«, sagte sie leise. »Wir müssen damit aufhören.«
Er stand nun vor dem Regal mit Lady Troubridges Büchern. »Womit?«
»Mit den Küssen.«
»Oh, aber ich küsse dich gern«, sagte ihr lasterhafter Ehemann.
Gina überlief ein Schauder. Sie sah ein einsames Bett vor sich, sah Berge von
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