Ein unerhörter Ehemann (German Edition)
ihre Tränen schon bald getrocknet waren. Sie hat den Mann vielleicht vierzehn Tage lang betrauert – wenn überhaupt!«
Phineas seufzte. Er fühlte sich unwohl, weil die Damen ihn derart ignorierten, zugleich war er sich jedoch bewusst, dass sie völlig im Recht waren, schließlich konnte er nicht mit der neuesten Mode aufwarten. Er war eben nur ein kleiner Anwalt, auch wenn sein Vater ein Gentleman war. Dass er auf dieser Gesellschaft außer seinen Klienten und der Gastgeberin keinen Menschen kannte, war jedoch noch weitaus schlimmer.
»Sie waren mindestens zwei Stunden allein in dem Gartenhaus!«, vernahm er die durchdringende Stimme der beleibten Mrs Flockhart zu seiner Rechten. » Zwei Stunden , meine Lieben. Ich weiß es aus erster Hand. Es wird sogar behauptet, ihre Mutter habe die Tür verschlossen, bis genug Zeit verstrichen war. Ihr Vater hat natürlich Wiedergutmachung gefordert.«
»Wie schändlich!«, stimmte die Dame in Gelb ein, auf deren Namen sich Phineas nicht besinnen konnte. »Obwohl ich das von ihrer Mutter nicht glauben kann. Warum sollte sie sich die Mühe machen, ihre Tochter mit einem Zweitgeborenen einzuschließen? Nein, nein, das Mädchen ist liederlich. Ich habe das immer schon gedacht, seit sie in die Gesellschaft eingeführt wurde. Stellt euch vor, sie ist über ihre Schleppe gestolpert, als sie sich vor der Königin verneigte. Achtloses kleines Ding!«
»Ich glaube dennoch, dass das Eingreifen der Mutter der Sache unter Umständen sogar dienlich war«, beharrte Mrs Flockhart auf ihrer Ansicht. »Sie war immer schon gerissen. Als wir noch junge Mädchen waren, schwor sie stets, sie würde sich einen Herzog angeln. Hat sie natürlich nicht geschafft. Der Junge mag zwar nur der Zweitgeborene sein, aber er verfügt über ein stattliches Einkommen.«
Phineas überlegte: Wenn der Herzog und die Herzogin über längere Zeit in einem Zimmer eingeschlossen wären – müssten sie dann verheiratet bleiben? Wenn die Herzogin sich kompromittierte, würde der Marquis doch sicherlich die Verlobung lösen?
»In welchem Zimmer war das?«, fragte er unvermittelt.
Drei Augenpaare richteten sich angriffslustig auf ihn. »Wovon zum Teufel sprechen Sie, junger Mann?«, fragte Mrs Flockhart schrill.
Phineas fühlte erneut, wie seine Ohren heiß wurden. »Das Zimmer«, wiederholte er. »In dem sie zwei Stunden lang eingeschlossen waren.«
Gackerndes Gelächter war die Folge. »Kein Schlafzimmer, falls Sie das gemeint haben!«
»Das wäre keine gute Methode, um sich eine reiche Erbin zu angeln«, sagte Lady Wantlish augenzwinkernd. »Viel zu riskant.«
»Ich habe auch nicht vor, mir eine reiche Erbin zu angeln«, entgegnete Phineas würdevoll.
»Gut«, bemerkte Mrs Flockhart säuerlich. »Denn ich glaube nicht, dass sich in der anwesenden Hausgesellschaft noch rechtschaffene Erbinnen befinden.«
»Moment mal«, wandte Lady Wantlish ein. »Miss Deventosh ist doch ein guter Fang. Sie ist die Begünstigte im Testament ihrer kürzlich verstorbenen Tante. Und ich versichere Ihnen, dass sie sich gewiss nie etwas zuschulden kommen ließ.«
»Dieses kleine rothaarige Ding?« Die Stimme der älteren Dame hatte einen beißenden Tonfall. »Wenn sie eine so reiche Erbin ist, warum trägt sie dann so fürchterliche Kleider? Sie sieht aus wie eine Rübe in Rüschen.«
Phineas verspürte ein wenig Mitleid mit der unbekannten Miss Deventosh. Er kam sich selbst vor wie eine Rübe, und sie sah offensichtlich so aus.
»Sie waren in einem Gartenhaus eingeschlossen«, beantwortete Lady Wantlish schließlich seine Frage. Sie wirkte durchaus nicht unfreundlich, aber vielleicht wollte sie ihn auch nur anstiften, einen Skandal zu verursachen.
»Aha«, meinte Phineas und versuchte, nicht allzu interessiert zu klingen. Dann bekam er einen Stoß in die Rippen.
»Wer sind Ihre Eltern, junger Mann?«
»Der Name meines Vaters ist Phineas Finkbottle«, antwortete Phineas und wurde schon wieder rot.
»Finkbottle? Sie sind Phineas Finkbottles Sohn?« Zu seinem Erstaunen wurde Lady Wantlish sofort viel zugänglicher. »Er war einer meiner ersten Verehrer. Das war natürlich, bevor er sein gesamtes Vermögen verlor.«
»Gut, dass du ihn nicht genommen hast«, sagte Mrs Flockhart spitz.
»Mein Vater wollte es nicht erlauben«, gestand Lady Wantlish. »Wie geht es ihm?«
»Er hat ein lahmes Bein, Madam«, stammelte Phineas. »Die Folge eines Kutschenunfalles vor ein paar Jahren.«
»Sind Sie Ihren Eltern ein guter Sohn,
Weitere Kostenlose Bücher