Ein unerhörter Ehemann (German Edition)
vertragt?«
»Nein, nie.«
»Also müssen wir zunächst einmal mit Lady Troubridge sprechen«, beschloss Gina. »Denn sie legt die Sitzordnung für die Mahlzeiten fest.«
»Oh ja!«, rief Carola begeistert. »Dann könnte ich neben Tuppy sitzen!«
»Und sie weist die Schlafzimmer zu«, fuhr Gina mit einem schelmischen Zwinkern fort.
Ihre Freundin schnappte nach Luft. »Schlafzimmer!«
»Nur als letzten Ausweg.«
Carola machte große Augen. »Das würde mehr Mut erfordern, als ich besitze. Ich kann das einfach nicht!«
»Es wird wahrscheinlich gar nicht nötig sein«, versicherte Gina. »Aber denk doch mal an Folgendes: Männer werben dauernd um Frauen. Wie schwer kann es also sein? Außerdem können wir stets Esme um Rat fragen, wenn wir nicht mehr weiterwissen.«
Carola blinzelte verwirrt und flüsterte: »Schlafzimmer, Gina?«
»Nur für den Fall, dass dein Mann über eiserne Zurückhaltung verfügt«, versprach Gina.
Hätte Lady Cranborne ihre Tochter in diesem Augenblick sehen können, sie wäre sehr stolz auf sie gewesen. Denn in Ginas Augen stand die angeborene Tatkraft der Girtons.
11
In der Bibliothek wird anstößiger Shakespeare gelesen
Gina wählte ihre Garderobe für den Abend mit sehr viel Sorgfalt. Sie hatte beschlossen, Sebastian einem Test zu unterziehen. Da Männer angeblich ihre sexuellen Gelüste kaum in Schach zu halten vermochten, wollte sie herausfinden, wie es um Sebastians Begierde bestellt war. Sie musste sich eingestehen, dass sie keinen Wert darauf legte, ihr Eheleben auf einem Podest zu verbringen, während ihr Gemahl sich mit einer wollüstigen Mätresse vergnügte. Allmählich machte sie sich Sorgen, dass sie Standhaftigkeit als Tugend eines Ehegatten überbewertet haben könnte.
Gina trieb ihre Zofe zur Verzweiflung, weil sie dreimal ihre Meinung änderte, doch dann war sie endlich bereit, in einem tintenblauen Abendkleid aus schwerer Seide vor den übrigen Gästen zu erscheinen. Das Kleid wurde im Rücken geschnürt und Hals und Schultern wurden vorteilhaft betont. Das pièce de résistance jedoch war der Saum des Kleides, der aufgesteckt war und einen Blick auf ihre Satinschühchen gewährte. Ginas Knöchel waren wohlgeformt und es konnte nicht schaden, sie zu zeigen. Das Haar trug sie hochgesteckt, bis auf ein paar seidige Locken, die auf ihre bloßen Schultern fielen.
Gina hatte mit Absicht ihr gewagtestes Kleid gewählt. Falls dies Sebastians Herz nicht zum Glühen bringt, dachte sie beim Verlassen ihres Zimmers, dann gibt es nichts, was das vermag.
Da Lady Troubridge keine Bücherfreundin war und selten die Bibliothek aufsuchte, hatte sich der Raum seit dem frühen 17. Jahrhundert kaum verändert. Hier war es düster und ruhig, das Tonnendach wölbte sich in die Höhe und zahlreiche messingbeschlagene Bücherborde waren zwischen die schmalen Fenster gezwängt worden. Tagsüber erhielt die Bibliothek Licht von Süden, am Abend jedoch wirkten die Fenster wie dunkle Flecken zwischen den Regalen. Die einzigen Lampen befanden sich an der Rückwand. Von dort breitete sich der Lichtschein im Raum aus, ging jedoch zum Eingang hin unvermittelt in Dunkelheit über.
Gina, deren Schuhe auf dem dicken Teppich keinen Laut machten, schritt auf das Licht zu. Der Rest der Besetzung hatte sich bereits eingefunden. Der junge Schauspieler Reginald hielt ihnen gerade einen Vortrag, dem Cam höflich lauschte, auch wenn Gina in seinen dunklen Augen Belustigung zu erkennen meinte. Sebastian schaute stirnrunzelnd in sein Textbuch, während sein Haar im Schein des Kaminfeuers wie ein frisch geprägter Penny leuchtete.
Esme saß auf einem niedrigen Schemel neben Cam. Ihre Position bot demjenigen, der einen Blick riskieren wollte, freie Sicht auf den Ausschnitt ihres Abendkleides.
Gina trat in den Lichtkreis. Die Herren erhoben sich höflich, während Esme ihr zur Begrüßung zulächelte. »Hör dir das nur an, Liebste. Mr Gerard hat mich als arme junge Schönheit besetzt, die in Ohnmacht fällt und fast stirbt , weil man sie liederlichen Verhaltens bezichtigt!«
Gina konnte nicht umhin, das Lächeln der Freundin zu erwidern. Was man auch gegen Esme sagen mochte, sie gab sich keiner Selbsttäuschung hin. Sie hatte sogleich das absurde Missverhältnis zwischen Rolle und Wirklichkeit erkannt.
»Vielleicht sollten wir die Rollen tauschen«, fuhr sie nun fort. »Du erhebst doch einen viel größeren Anspruch auf einen unbefleckten Ruf als ich.«
Hier nun schaltete sich Sebastian ein.
Weitere Kostenlose Bücher