Ein unerhörter Ehemann (German Edition)
Girton lässt fragen, ob Ihre Gnaden Sie auf einen Moment besuchen dürfte.«
»Natürlich«, antwortete Carola tonlos. Sie zog das Band heraus und begann ihr Haar zu bürsten. Sogleich wollte die Zofe das übernehmen, aber sie bedeutete ihr, den Raum zu verlassen.
Es war gewiss nicht das beste Heilmittel für ihren Kummer, ihre überaus perfekte Freundin, die Herzogin, zu empfangen. Gina hatte einen Ehemann und einen Verlobten, und beide begehrten Gina, wenn Carola sich nicht sehr irrte. Die Glückliche! Niemand begehrte Carola. Wieder stiegen ihr Tränen des Selbstmitleids in die Augen, und sie musste schlucken.
Als Gina das Zimmer betrat, sah sie so hinreißend aus, wie es einer derart vom Glück Begünstigten zukam. Trotzdem war sie in gewisser Weise immer ein wenig zurückhaltend, was Carola sehr an ihr schätzte. In der feinen Gesellschaft war Gina wahrscheinlich die Frau mit den besten Umgangsformen.
»Fühlst du dich nicht gut? Kann ich etwas für dich tun?«
»Eigentlich nicht. Ich bringe es nur nicht über mich, das Zimmer zu verlassen«, erklärte Carola rundweg.
Gina setzte sich auf den Stuhl, der links von der Frisierkommode stand. »Mir ging es auch so, doch dann habe ich mit meinem Verlobten ein Picknick gemacht, und wir haben uns erneut gestritten, sodass ich jetzt fast wieder die Alte bin.«
Darüber musste Carola doch lächeln, auch wenn sie nur leicht die Mundwinkel hob. »Worüber habt ihr euch denn gestritten?«
»Ob er ein Stockfisch ist oder nicht«, erklärte Gina heiter. »Und – man höre und staune! – er hat es zugegeben. Und deshalb werden wir als Wiedergutmachung in einem mehr als unschicklichen Shakespeare-Stück mitspielen.«
»Er muss dich wirklich lieben«, sagte Carola. »Denn es ist kaum vorstellbar, dass Lord Bonnington sich zu etwas so Skandalösem wie einer Theateraufführung hergibt.«
»Ja, natürlich liebt er mich«, stimmte Gina zu, die wünschte, sie könnte Sebastians Liebe mit mehr Begeisterung bestätigen. Denn es war nicht seine Liebe , die ihr Sorgen bereitete.
»Beachte mich gar nicht«, bat Carola mit einem entschuldigenden Lächeln, während sie sich die Tränen abtupfte. »Das geht schon den ganzen Tag so.«
»Weinst du, weil dein Mann da ist?«
Einen Augenblick herrschte Schweigen. Gina fragte sich, ob sie die Frage taktvoller hätte stellen sollen.
»Ja«, sagte Carola schließlich. »Ja und nein.«
Gina wartete.
»Jedes Jahr wird es schlimmer. Jedes Jahr bedauere ich unsere Trennung mehr. Und mit jedem Jahr rückt die Möglichkeit zur Versöhnung in weitere Ferne.«
»Nun, warum sprichst du nicht einfach … «
»Unmöglich. Du verstehst das nicht, Gina. Du hast einen Verlobten, der dich anschaut, als wärst du eine Göttin. Und jetzt ist dein Ehemann dazugekommen und schaut dich ebenso an.«
»Das ist nicht wahr!«
»Aber sicher ist es wahr.« Carolas Stimme hatte eine gewisse Schärfe angenommen. »Ich bin eine erwachsene Frau, die einmal eine Ehefrau war, früher .« Sie schniefte untröstlich. »Ich erkenne diesen Ausdruck in den Augen eines Mannes. Tup… Tuppy hat mich auch einst so angesehen!« Nun waren die Tränen nicht mehr aufzuhalten.
Gina setzte sich neben ihre Freundin auf die gepolsterte Bank und legte ihr einen Arm um die Schultern. »Meine Liebe, wenn du deinen Mann immer noch liebst, musst du dich wieder mit ihm versöhnen. Schmeichle ihm, wenn es sein muss. Mehr brauchst du doch nicht zu tun.«
Carola kämpfte mit den Tränen und tastete blindlings nach ihrem Taschentuch. Gina drückte es ihr in die Hand. »Du verstehst gar nichts«, sagte sie mit schwankender, fast schroffer Stimme. »Was du mir da vorschlägst, ist unmöglich.«
»Warum denn?«
»Weil es eben so ist.«
»Aber warum?«
»Das kannst du nicht verstehen!«
Gina wurde allmählich ärgerlich. »Warum nicht? Du solltest dich etwas deutlicher ausdrücken. Da du diejenige warst, die deinen Mann verlassen hat, und nicht er, scheint es auf der Hand zu liegen, dass du auch den ersten Schritt tun musst. Du musst ihn wieder zurückgewinnen!«
Carola atmete tief durch und tupfte sich die Augen ab. »So einfach ist das nicht. Ich habe einen Fehler gemacht, einen furchtbaren Fehler, und nun muss ich eben mit diesem Fehler leben.« Sie redete hastig weiter, da sie spürte, dass Gina ihre Aussage im nächsten Augenblick erneut infrage stellen würde. »Ich weine nicht wegen Tuppy – also, nicht wirklich. Ich weine, weil ich nicht wiederhaben kann, was ich
Weitere Kostenlose Bücher