Ein unerhörter Ehemann (German Edition)
»Dieser Vorschlag findet nicht meine Zustimmung«, widersprach er. »Beatrice ist eine lebhafte, aber nicht undamenhafte junge Frau. Für Ihre Gnaden die viel bessere Rolle.«
»Damenhaft?«, murmelte Cam, während Gina den Kreis durchschritt und an seiner Seite Platz nahm. Ihr Plan sah unter anderem vor, dass sie ihren Ehemann benutzen wollte, um Sebastian zu zeigen, wie wenig sie sich für ein Podest eignete. Je mehr sie über Cams Kuss nachdachte, umso deutlicher wurde ihr, dass Vorfälle dieser Art für ihn wahrscheinlich etwas ganz Normales waren. Dieser Mann jagte vermutlich jeder Schürze hinterher, die in seine Nähe kam. Gina setzte sich anmutig hin und bemerkte zufrieden, dass ihre Knöchel unter dem Rock hervorlugten.
Auch Cam begutachtete ihr schlankes Bein, dann hob er rasch den Blick und sah ihr ins Gesicht. Daraufhin zog er belustigt die Augenbrauen hoch und musterte ihre Erscheinung langsam vom Scheitel bis zu der Spitze ihres Schuhs. »Ich nehme an, diese Zurschaustellung findet nicht nur zu meinem Vergnügen statt?«, flüsterte er. Ein Lachen stand in seinen Augen und noch etwas anderes – etwas, das Gina nicht so recht zu benennen wusste.
»Still, du Schuft!«, gab sie zischend zurück und errötete leicht. Natürlich durchschaute er sie: Schon in ihren Kindertagen hatte er sie stets durchschaut. Aber genau das machte ihn zu dem Mann, der Sebastians Eifersucht erregen konnte.
Sebastian hatte sich nach Ginas Begrüßung wieder gesetzt und blätterte in seinem Text. »Ja«, sagte er gewichtig, »ich finde, die Rolle der Beatrice passt ausgezeichnet zu Ihrer Gnaden. Lieber wollt’ ich meinen Hund eine Krähe anbellen hören als einen Mann schwören, dass er mich liebe . Sehr angemessen.«
»Wie bitte? Sage ich das?« Gina schlug ihren Text auf. »Wo denn?«
»Darf ich daraus schließen, dass du mit dieser Geisteshaltung nicht übereinstimmst?«, fragte Cam.
»Doch, natürlich«, erwiderte sie. »Ich versuche nur, die Textstelle zu finden.«
»Lass dir von mir helfen.« Er beugte sich vor und nahm ihr Buch in seine großen Hände. »Bonnington hat gerade aus dem ersten Akt vorgelesen.«
Cam hatte einen ganz eigenen Geruch, sauber und herbstlich, wie Waldlaub. Anders als die meisten Männer benutzte er kein Parfüm. Als er sich wieder zurücklehnte und auf die Seite im ersten Akt deutete, brannten Ginas Wangen.
Zweifelnd starrte sie auf den Text. Beatrice kam ihr wie ein recht zänkisches Weib vor.
Noch einmal streifte Cam ihre Schulter, was Gina wiederum in Verwirrung stürzte. »Wir sind vielleicht ein streitsüchtiges Pärchen … «, sagte er. »Lies nur.« Er deutete auf eine Textzeile. »Hier drohst du, mir das Gesicht zu zerkratzen.«
»Du scheinst aber auch ein eitler Prahlhans zu sein.« Sie las in spöttischem Ton: » Aber so viel ist gewiss, alle Damen sind in mich verliebt, Ihr allein ausgenommen . Was für ein Angeber! Alle Damen , tatsächlich?«
Cams Gesicht war nun dem ihren so nahe, dass sie seinen Atem auf ihrer Wange spüren konnte. »Da könntest du recht haben«, flüsterte er kaum hörbar. »Wir werden wohl weiterlesen müssen, um herauszufinden, ob du mich in die Knie zwingst oder nicht.«
Sie schnappte nach Luft. Einen Moment lang trafen sich ihre Blicke, und die seinen waren dunkel vor Verheißung. Ein ungeduldiges Hüsteln brachte Gina wieder in die Gegenwart zurück. Sie wandte den Kopf und unterdrückte ein zufriedenes Lächeln. Er hatte es gemerkt. »Wie ist denn deine Rolle, Sebastian?« Sie redete ihn nicht förmlich an, immerhin waren sie hier unter Freunden.
Sebastians Lippen pressten sich zusammen, ein sicheres Anzeichen dafür, dass er ihren Ungehorsam wahrgenommen hatte.
Gina stellte überrascht fest, dass es ihr tatsächlich so vorkam: als wäre sie ihm ungehorsam gewesen.
»Meine Rolle bietet nichts Außergewöhnliches. Offenbar glaube ich meine Verlobte an ihrem Schlafzimmerfenster in der Umarmung eines Mannes zu sehen und verstoße sie natürlich. Im vierten Akt sage ich:
Schwürt ihr nicht,
Ihr alle, die sie seht, sie sei noch schuldlos,
Nach diesem äußern Schein? Doch ist sie’s nicht:
Sie kennt die Gluten heimlicher Umarmung .
Natürlich nehme ich sie unter diesen Umständen nicht zur Frau«, schloss er mit sichtlicher Befriedigung.
Gina war verwirrt. »Ich kenne das Stück gar nicht. Spielt Esme die Frau, die zu heiraten du dich weigerst?«
»Ja«, sagte Sebastian.
»Ich soll also die spielen, die wie eine Jungfrau aussieht,
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