Ein unerhörter Ehemann (German Edition)
ich Bonnington reden höre. Ehrlich gesagt habe ich geglaubt, deine Mutter würde sich um dich kümmern. Oder vielmehr«, fuhr er reumütig fort, »habe ich mir im Grunde nur wenig Gedanken darüber gemacht.«
Gina hob leicht die Schultern. Ein Lächeln spielte um ihre Mundwinkel. »Eine Frau von meiner außergewöhnlichen Tugendhaftigkeit kann von einem durchschnittlichen Schurken nicht verführt werden.«
»Boshaftes Weib.« Seine Finger glitten von ihrem Kinn zu ihrem Hals. Trotz der Schwielen waren seine Hände erstaunlich weich. Gina erbebte, sah ihm jedoch unverwandt in die Augen. »Ich frage dich noch einmal, Frau. Warum kommst du mitten in der Nacht in mein Schlafzimmer? Ich bin mir ziemlich sicher, dass Bonnington das gar nicht gern sähe.«
»Nein, gewiss nicht.« Einen Moment lang wollte ihr nicht mehr einfallen, warum sie hier war. »Ich möchte das Geschenk meiner Mutter abholen.«
»Oh!« Er starrte sie kurz an und ging dann an seinen Schrank. »Hier ist es.«
Es war eine hölzerne Schatulle, stabil und gut verarbeitet, aber wenig elegant. Ein Holzkästchen mit einem einfachen Verschluss.
Gina nahm die Schatulle in die Hand. »Sie ist schwer.«
»Ich habe sie nicht geöffnet.«
»Das weiß ich.« Cam würde nie ein Geschenk öffnen, das für einen anderen bestimmt war.
Gina atmete tief durch und klappte den Metallverschluss hoch. Ihr Blick fiel auf mohnroten Satin, üppig gewellten glänzenden Stoff.
Cam spähte in die Schatulle. »Ziemlich kitschig«, lautete sein Kommentar.
Gina starrte derart gebannt auf den leuchtenden Stoff, dass sie wie gelähmt zu sein schien. »Darf ich?«, fragte er und hob auf ihr Nicken hin die oberste Lage Satin hoch.
In der Schatulle lag eine Statuette.
Gina nahm sie heraus. Es war eine Frau, ungefähr zwei Handbreit hoch. Instinktiv schlossen sich ihre Finger um die nackte Taille, um sie vor Cams Blicken zu schützen.
»Das ist sehr hochwertiger Alabaster.« Er streckte die Hand aus, doch Gina gab die kleine Statue nicht her. Cam konnte von ihr nicht mehr als Kopf und Beine erkennen. »Es könnte eine Aphrodite sein«, meinte er interessiert. »Das Gesicht ähnelt einem Gemälde von Tizian, die Anadyomene, die den Wogen entsteigt. Trägt sie Kleider?«
»Nein«, flüsterte Gina. »Sie ist nackt, vollkommen nackt. Meine Mutter hat mir eine nackte Statue geschenkt.«
Cam sah betroffen den schmerzlichen Ausdruck in ihrem Gesicht. »Es ist nicht bloß eine nackte Statue«, beeilte er sich zu sagen. »Roter Alabaster ist sehr wertvoll.«
Gina biss sich auf die Lippe und stopfte die Statuette mit dem Gesicht nach unten in ihr tiefrotes Bett zurück. »Offenbar hatte Sebastian recht«, sagte sie mit harter Stimme. »Meine Mutter hat wohl geglaubt, ich wäre für eine nackte Frauenfigur dankbar. Soll ich sie vielleicht als Schlafzimmerschmuck aufstellen?« Sie klappte den Deckel zu und schob die Schatulle beiseite.
Cam hatte schon zuvor wütende Frauen gesehen, doch diejenige, die gerade vor ihm stand, war beinahe außer sich vor Zorn.
»Ich mache einen Spaziergang«, beschloss Gina.
Er räusperte sich. »Es hat geregnet.«
»Ist mir gleich.« Sie schritt Richtung Tür, hielt dann unvermittelt inne. »Kommst du?« Ihre Stimme klang ungeduldig.
»Natürlich.«
Cam wartete, während Gina die Statuette auf ihr Zimmer brachte. Sie war nur einen Augenblick lang fort. Wahrscheinlich hat sie das schöne Stück in den Kamin geworfen, dachte er mit Bedauern. Es war zu schade: Er hätte die Figur gern genauer untersucht.
Schweigend verließen sie den dunklen, leeren Salon in Richtung Garten, in dem es von den Zweigen tropfte. Eine sanfte Brise wehte immer noch ein paar Tropfen durch die Luft.
Gina wünschte sich einen Schneesturm herbei, der dem Aufruhr in ihrer Brust entsprochen hätte. Ihre Mutter war genauso wie das Bild, das Sebastian von ihr gezeichnet hatte: eine vulgäre Person, sittlich verdorben. Diese Frau hatte ihre Tochter in ein fremdes Land geschickt, ohne auch nur einen Gedanken daran zu verschwenden, ob der Kindsvater die Kleine annehmen würde. Kein Wunder, dass sie eine laszive Statue als passendes Präsent betrachtete. Wütend schlug Gina nach einem herunterhängenden Apfelbaumzweig.
Sogleich entfuhr Cam ein unterdrückter Fluch.
»Was ist?«, fragte Gina ohne sichtliches Interesse.
»Mir ist Wasser in den Kragen getropft.«
Auch ihr Kleid war jetzt mit dunklen Flecken übersät, die im Mondschein kaum zu erkennen waren.
»Horch«, sagte er
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