Ein unerhörtes Angebot
euch gleich darauf folgte, um dich ritterlich zu verteidigen.“ Sie sah Helen an, die den Blick abwandte. „Sir Jason hat ihn doch zum Teufel gejagt, oder nicht?“
Helen nickte nur, ohne ein Wort zu sagen.
„Nur dass er sich selbst nicht sehr … ritterlich benahm?“, vermutete Emily.
„Wie konnte er nur glauben, dass ich die Aufmerksamkeiten dieses abscheulichen Mannes genieße?“ Helen biss sich auf die zitternde Unterlippe. „Ist Charlotte mit Philip zusammen?“
„Sie sind zu den Grotten gegangen.“
Helen atmete erleichtert auf.
„Du wirst mir sicher erklären, dass es mich nichts angeht“, fuhr Emily behutsam fort. „Aber … ich weiß, wie es sich anfühlt, das Opfer von Verleumdungen zu sein. Ich weiß auch, was es bedeutet, wenn man mit einem selbstsüchtigen Bruder geschlagen ist. Die Leute denken vielleicht, dass ich mich anstandslos mit Tarquins Fehlern abgefunden habe. Doch das stimmt nicht. Und trotzdem ist er mein Bruder, und ich liebe ihn sehr, ungeachtet all des Kummers, den er verursacht.“
Helen seufzte tief und lächelte kläglich. „Wo blieben wir nur ohne unsere Familie?“
„Ich glaube, ich wäre zufrieden und glücklich mit einem Gatten und einem Haus voller Kinder“, erwiderte Emily scherzend, aber Helen spürte, dass ihre Freundin es ernst meinte.
Mit einem Nicken antwortete Emily auf ihre unausgesprochene Frage. „Ja. Ich könnte verheiratet sein, wenn Tarquin nicht wäre. Doch das ist nicht mehr wichtig!“, erklärte sie abschließend. „Es ist Jahre her.“
Sie gingen schweigend weiter, und dann wies Emily mit einem Nicken nach vorn. „Dort steht George mit seinem ergebenen Weib“, sagte sie sarkastisch und zog leicht an Helens Arm, um ihre Schritte zu verlangsamen. „Bevor du zu ihm gehst, Helen – du willst George wahrscheinlich bitten, dich nach Hause zu fahren –, sollst du wissen, dass du mir nur sehr wenig erzählen könntest, das mich schockieren würde.“
Helen drückte dankbar Emilys Hand und erwiderte leise: „Das ist sehr lieb von dir, Emily, aber wenn du mehr über mich wüsstest, wärst du entsetzt.“
„Und wenn du mehr über mich wüsstest, ginge es dir nicht anders“, erwiderte Emily lächelnd. „Solltest du dich also mit jemandem aussprechen wollen über so belastende Dinge wie Geschwister und Liebhaber …“, sie sah Helen vielsagend in die Augen, „dann weißt du, zu wem du kommen kannst. Oh, ich sehe, dein Bruder hat dich bemerkt und kommt auf uns zu“, fuhr sie fort und winkte knapp in Georges Richtung. Dann wandte sie sich ab, um zu Tarquin zurückzukehren.
16. KAPITEL
„Falls du Mrs. Marlowe suchst, verschwendest du deine Zeit. Sie ist gegangen.“
Jason wirbelte herum, als er die Stimme seines Bruders hörte. Mark stand hinter ihm, die Hände in den Taschen. „Was soll das heißen … gegangen?“, verlangte Jason gereizt zu wissen und runzelte die Stirn. „Mit Bridgeman?“
„Mit ihrem Bruder, Jason“, beschwichtigte Mark ihn, während er lässig näher kam. „Sie machte einen recht aufgewühlten Eindruck, also nehme ich an, George hat sie nach Hause begleitet.“ Mark hielt seine Neugier nur mit Mühe im Zaum. Nach der finsteren Miene und der unbedachten Bemerkung zu urteilen, musste sein offenbar hoffnungslos verliebter Bruder sich einbilden, einen Rivalen zu haben.
Mark unterdrückte wohlweislich ein Lächeln, doch die Vorstellung, dass Sir Jason Hunter – unermesslich reich und darüber hinaus ein Bild von einem Mann – ausgerechnet auf eine Kröte wie Colin Bridgeman eifersüchtig sein könnte, der sich nichts als eines großen Vermögens rühmen durfte, war grotesk und beispiellos. Aber wenn ein Mann sein Herz verlor, war damit zu rechnen, dass er sich seltsam benahm. Mark hatte schon oft mit ansehen müssen, wie starke, selbstbewusste Gentlemen sich in schwache, bemitleidenswerte Geschöpfe verwandelten, wenn sie einer Frau verfallen waren.
Er selbst hatte noch nie einen solchen Gefühlstaumel erlebt und dankte seinem Schicksal dafür. Es gab kein weibliches Geschöpf, das ihn zu Fall bringen konnte!
Andererseits wäre ihm aufgefallen, dass sein Bruder Helen und Colin Bridgeman in die Büsche gefolgt war, wenn ihn die verführerische kleine Hexe, bei der es sich zu seinem Pech um Tarquin Beaumonts Schwester handelte, nicht abgelenkt hätte. Weil er Emily kaum aus den Augen lassen konnte, war ihm überhaupt erst aufgegangen, dass etwas geschehen sein musste. Er hatte gesehen, wie Emily zu Helen
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