Ein ungezähmtes Mädchen (German Edition)
weit draußen auf einer Halbinsel im Mälaren als Ritterburg gebaut worden, und im 14. Jahrhundert, dieser gewaltsamen Epoche, hatten seine Zinnen und Türme eine wichtige Rolle bei der Landesverteidigung gespielt. Im 17. Jahrhundert hatte einer der reichsten Männer Schwedens die Burg restaurieren und umbauen lassen, bis sie eines der prächtigsten Privatschlösser des Landes war. Und als Seth es schließlich kaufte, stand es schon lange leer. Er hatte Unsummen dafür ausgegeben, die Einrichtung, die Säle und Gärten in ihrer alten Pracht wiederherstellen zu lassen. Jetzt flatterten farbenfrohe Fahnen im kühlen Wind, und die Februarsonne ließ das weiße Schloss am zugefrorenen See glänzen wie ein Juwel.
Seth hatte darauf bestanden, Wadenstierna für das Fest zur Verfügung zu stellen. Er hatte sich sogar erboten, den Gastgeber zu spielen, und Johan hatte die Einladung angenommen.
Die Stimmung zwischen den beiden Freunden war ein paar Tage nach den Ereignissen im Heim der Löwenströms ein wenig angespannt gewesen. Doch dann beschloss Seth energisch, diesen bedauerlichen Vorfall mit Beatrice zu vergessen. Inzwischen hatte er sie aus seinem Bewusstsein so gut wie ausradiert, redete er sich ein. Das Ganze war ein Missverständnis gewesen, das ihm schon lange kein Kopfzerbrechen mehr bereitete. Er hatte nicht einmal etwas dagegen, dass Beatrice bei der Feier auf Wadenstierna anwesend sein würde.
Sofia war über Beatrices Verlobung mit dem Grafen überrascht gewesen. Vorsichtig hatte sie versucht nachzufragen, was eigentlich passiert sei, doch sie hatte nur ausweichende, vage formulierte Antworten bekommen. Schließlich musste sie ihre Bemühungen aufgeben und sich damit abfinden, dass sie niemals erfahren würde, was an jenem Tag geschehen war, als Johan und Seth beide in der Drottninggatan auftauchten und Beatrice sich auf einen Schlag zu einem traurigen Schatten ihrer selbst verwandelte. Und sie hatte akzeptieren müssen, dass es zwei Themen gab, über die ihre Cousine mit niemand sprach: Seth Hammerstaal und die Verlobung mit dem Grafen Rosenschöld.
Außerdem hatten Sofia und Miss Mary zusehen müssen, wie Beatrice in den Wochen nach ihrer Verlobung immer stiller, bleicher und magerer wurde. Bis zuletzt hatte sie sich auch geweigert, auf das Fest auf Wadenstierna mitzukommen, doch da hatte Sofia sich dann doch einmal durchgesetzt. Mittels Tränen, Bitten und Drohungen hatte sie Bea den Schwur abgerungen, sie zu begleiten. Vielleicht war es selbstsüchtig von ihr, dachte Sofia schuldbewusst, doch sie konnte den Gedanken nicht ertragen, dass ihre mutige Cousine zu Hause sitzen und sich vor diesem Seth Hammerstaal verstecken sollte, während Sofia selbst den glücklichsten Abend ihres Lebens erlebte. In den letzten Tagen hatte Beatrice immerhin ein Stück ihrer alten Lebhaftigkeit zurückgewonnen, dachte Sofia erleichtert. Ab und zu lächelte sie sogar.
Als Beatrice aus dem Schlitten stieg, der sie und die anderen zu Schloss Wadenstierna gebracht hatte, war ihr Haar zerzaust, und sie war müde nach der langen Fahrt. Auf der Schlosstreppe erblickte sie als Erstes Seth, der neben zwei Frauen stand, offenbar Mutter und Tochter, und sie hätte am liebsten auf dem Absatz kehrtgemacht.
Die jüngere Frau, die mit ihrem schwarzen Haar und den dramatisch grünen Augen aufsehenerregend schön war, drückte sich diskret an Seth, während sie die eintreffenden Gäste begrüßte. Beatrice konnte sich in ihren verknitterten Reisekleidern kaum jemand vorstellen, dem sie nun weniger gern begegnet wäre als Seths neuester Eroberung. Sie tat ihr Bestes, um sich zwischen den übrigen Familienmitgliedern unsichtbar zu machen, doch als Seth die anderen alle begrüßt hatte und schließlich sie anblickte, straffte sie den Rücken. Eines ist sicher, dachte sie, ich habe nicht vor, mir den Schneid abkaufen zu lassen. Und ich kann Seth Hammerstaal wohl kaum bis in alle Ewigkeit aus dem Weg gehen, wenn Sofia einen seiner besten Freunde heiratet. Genauso gut konnte sie den Stier gleich bei den Hörnern packen. «Was für ein schönes Heim Sie haben», sagte sie höflich.
Das Schloss lag auf einer Halbinsel, und die Aussicht war spektakulär, karg und funkelnd zugleich. Der Schnee bedeckte die Landschaft, und die Dienstboten steckten gerade Fackeln in den Boden, die im Laufe des Abends angesteckt werden sollten.
Seth verbeugte sich, erwiderte aber nichts.
«Das wird ein großartiges Wochenende», gurrte die jüngere Frau, die
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