Ein ungezähmtes Mädchen (German Edition)
allem, was auf Irislund zwischen ihnen geschehen war, verdiente er eine Erklärung. Und wenn hier ein Missverständnis vorlag, würde er es ausräumen, dachte er. Probleme waren immerhin dazu da, dass man sie löste.
Vor einer Weile war er wieder bei den Löwenströms in der Drottninggatan eingetroffen, voller Energie und neuer Hoffnung. Doch statt Beatrice auf der Stelle treffen zu können, führte man ihn in einen vollgestellten Salon, in dem es von schnatternden Menschen nur so wimmelte. Aus irgendeinem Grund waren auch Leonite und ihre Familie anwesend, und die junge Frau freute sich sichtlich, als sie ihn entdeckte. Ungeduldig sah er sich um und beobachtete, wie immer mehr Leute eintrafen. Seine gute Laune geriet ins Wanken, er war kein besonders geduldiger Mensch. Obwohl er nicht allzu viel Lust hatte, mit Leonite, ihrer Mutter oder sonst wem zu plaudern, riss er sich zusammen. Er war schließlich gekommen, um die Dinge zu klären. Er konnte warten. Und dann streckte ihm Johan Stjerneskanz die Hand entgegen: «Meinen herzlichsten Glückwunsch. Gerade habe ich die guten Neuigkeiten zu hören bekommen.»
«Soviel ich weiß, habe ich nichts getan, womit ich deine Glückwünsche verdient hätte», gab er so frostig zurück, dass Johan erstarrte.
«Aber ich dachte, dass Fräulein Beatrice und du … Ich meine, Herr Löwenström hat gesagt, dass sie heiraten wird … und ich dachte, du …?»
Johan verstummte und verhinderte damit, eine rechte Gerade ins Gesicht zu bekommen. Wieder explodierte der weißglühende Zorn in Seth. Er wusste, dass Johans verfehlte Glückwünsche nur bekräftigten, was er gestern erfahren hatte. Das konnte nur bedeuten, dass Beatrice wirklich mit Rosenschöld verlobt war und es nun bald öffentlich gemacht werden sollte. Irgendetwas in ihm zerbrach – und dann stand sie auf einmal auf der Schwelle und schien hin und her gerissen, als sie ihn erblickte. Forschend musterte er ihren kurvigen Körper in dem schlechtsitzenden braunen Kleid. Bei dem Gedanken, dass der Graf sie begrapscht hatte, vielleicht sogar schon mit ihr geschlafen hatte, wurde ihm schlecht. Doch sie wusste augenscheinlich, wie man die Dinge richtig anpackte. Sie hatte so unerfahren und unschuldig gewirkt, dabei hatte sie sich die ganze Zeit über ihn amüsiert, ihn lächerlich gemacht, ihn um den kleinen Finger gewickelt und ausgelacht.
Beatrice bemerkte Seths schwer zu deutenden Gesichtsausdruck. Unsicher machte sie einen Schritt auf ihn zu. Doch Seth wandte nur gelangweilt den Blick von ihr ab. Leonite saß neben ihm auf dem Sofa und wickelte sich buchstäblich um ihn herum. Sie flüsterte ihm etwas zu, und er antwortete mit einem schleppenden Lachen.
Beatrice blieb wie zur Salzsäule erstarrt stehen, als es ihr mit voller Wucht klar wurde: Er weiß es.
Seth sah sie an, als hätte sie die Worte laut ausgesprochen. Verzweifelt suchte sie in seinem ernsten Gesicht nach einem Anzeichen dafür, dass sie ihm etwas bedeutete, doch sein Blick war leer. Leonite legte ihm die Hand auf den Arm, und er ließ sie gewähren. Müde sah er zu Beatrice auf. Langsam ließ sie die Blicke zwischen ihm und Leonite hin und her wandern. Das Atmen schmerzte sie. Sie hatte immer geglaubt, dass es schnell ginge, wenn ein Herz zerbrach, als würde man die Eisschicht auf einer über Nacht gefrorenen Pfütze zerschlagen. Doch ihr eigenes Herz ging so langsam in Stücke, dass es mit jedem Augenblick mehr wehtat. Sie sah ihm direkt in die abgrundtiefen Augen. «Haben Sie mir nichts zu sagen?», fragte sie tonlos.
Er kräuselte die Lippen. «Herzlichen Glückwunsch?», schlug er vor.
Sie verkrampfte die Finger ineinander, um nicht zurückzufahren. Wie war es nur möglich, dass es immer noch mehr wehtat?
«Sie müssen sehr zufrieden sein, Fräulein Beatrice», fuhr er mit einem arroganten Lächeln fort. «Immerhin haben Sie einen Grafen eingefangen. So etwas wünschen die Frauen sich doch mehr als alles andere, nicht wahr?»
Ein Teil von Beatrice nahm zur Kenntnis, dass er nicht besonders enttäuscht wirkte, er sah sogar fast amüsiert aus, als er die grausamen Worte aussprach. Leonite musterte sie unterdessen mit einem höhnischen Lächeln.
Da schüttelte Seth ruckartig Leonites Hand ab und stand vom Sofa auf.
«Darf ich Sie um ein paar Worte unter vier Augen bitten, Fräulein Beatrice?», sagte er leise.
Unsicher trat sie einen Schritt zurück. Irgendetwas in seinem Blick machte ihr schreckliche Angst. Sie sah sich um. Alle waren so
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