Ein ungezähmtes Mädchen (German Edition)
um ein Haar schon angehört hatte.
Als er dann letztes Jahr den Grafen Rosenschöld in einem Bordell in Gamla Stan kennenlernte, hatte er sofort gespürt, dass sich jetzt alles ändern würde. Der betrunkene Graf hatte sich beklagt, wie schwer es sei, eine Frau zu finden, dass die adligen Mädchen unverschämt, eigensinnig und kleinlich seien und dass sie sich mittlerweile alle einbildeten, eigene Entscheidungen treffen zu dürfen.
Verständnisvoll legte Edvard die Stirn in Falten und spürte gleichzeitig die Erregung in seinen Adern pochen, weil er merkte, dass er auf einen Gleichgesinnten gestoßen war. Da er die Einstellung seines Vaters zur Emanzipation der Frau kannte, wusste er auch sofort, was er zu tun hatte. Ganz nebenbei erzählte er dem Grafen von seiner Cousine, die von der Gnade seines Vaters lebte, eine machtlose Frau, die tun musste, was man ihr sagte, eine junge, unberührte Frau. Der Graf hatte sich bereit erklärt, sie sich einmal anzusehen, Edvard hatte seinen Vater gebeten, Beatrice neue Kleider zu kaufen, und dann – ja, dann war alles gelaufen wie geschmiert. Und Edvard verkehrte plötzlich wieder in Kreisen, von denen er kaum mehr zu träumen gewagt hatte.
«Keiner kann mich wegen irgendetwas anklagen», meinte Edvard jetzt. «Emelie von Wöhler ist allein zu diesem verdammten Engelmacher gegangen. Es ist ja wohl kaum meine Schuld, dass sie gestorben ist.»
Ehrlich gesagt war er froh, dass Leonites unverschämte kleine Schwester bei ihrer Abtreibung verblutet war. Was zum Teufel hätte er mit ihr anfangen sollen? Er zog an seiner Zigarette.
«Du bist mit dem Mädchen gesehen worden», wandte der Graf ein. «Das reicht. Ihre Familie hat enormen Einfluss bei Hofe. Ich bezweifle, dass du wirklich zur Rechenschaft gezogen wirst, denn der Graf von Wöhler wird den Skandal scheuen. Aber du wirst Stockholm für eine ganze Weile verlassen müssen.»
Edvard zog eine Grimasse. «Und wo zum Teufel soll ich hingehen? Emelie hat die Beine mehr als bereitwillig für mich breitgemacht, daraus kann mir keiner einen Vorwurf machen. Und sie war die schlechteste Bettgefährtin, die ich jemals hatte. Unbegreiflich, dass die überhaupt schwanger werden konnte.»
Der Graf stieß ihn mit dem Finger in die Schulter. «Ich habe langsam genug von dir und deinen Katastrophen, das kann ich dir versichern. Fahr eine Weile nach Göteborg und halte dich bedeckt. Wenn du ein unschuldiges Mädchen willst, dann hol dir in Zukunft einfach eines aus der Fabrik deines Vaters oder irgendein Dienstmädchen, verstanden?»
«Fährst du auch nach Göteborg? Beatrice ist doch dort.» Zum ersten Mal zeigte er einen Funken Interesse für das, was der Graf sagte. Er hatte seine Cousine schon eine ganze Weile nicht mehr gesehen.
Doch Rosenschöld schüttelte den Kopf. «Wilhelm wird sie heimschicken, sobald sich die Situation in Göteborg geklärt hat.» Er sah Edvard an. «Ehrlich gesagt, langsam habe ich dich und deine Familie ganz schön satt.»
Edvard dachte bei sich, dass er Rosenschöld ebenfalls langsam durchaus satthatte. «Niemand kann mich zwingen, Stockholm zu verlassen», erklärte er.
«Idiot. Du kannst froh sein, wenn sie dich nicht lynchen», schnaubte der Graf.
Wie sich herausstellte, hatte Graf Rosenschöld recht. Die Situation in Stockholm wurde innerhalb weniger Tage unerträglich für Edvard. Niemand sprach es offen aus, doch man begann ihn zu schneiden, und bald drehten ihm die Leute den Rücken zu, sobald sie ihn sahen.
Ziemlich unangenehm, dachte Edvard, als er am Hauptbahnhof Göteborg aus dem Zug stieg und die salzgesättigte Herbstluft einatmete.
*
Im Haus in der Sillgatan stand Johan am Fenster und blickte über den Hafen. «Du bist mir mehr als willkommen, wenn du hier wohnen möchtest, das weißt du doch, oder?» Er wandte sich zu Seth um.
«Er hat sie geschlagen», sagte Seth und spürte, wie ihm wieder die Kiefermuskeln zuckten. Er musste nur daran denken, wie er Wilhelm gesehen hatte, der mit erhobener Hand über Beatrice stand, und schon überkam ihn die Lust, den Mann zu ermorden.
«Das ist inakzeptabel, und ich habe auch schon mit ihm gesprochen», antwortete Johan. «Mein Schwiegervater fährt noch heute zurück nach Stockholm.»
«Es tut mir leid, dich mit so etwas zu belasten, wo du doch gerade weiß Gott anderes im Kopf hast», entschuldigte sich Seth.
«Nonsens. In meinem Haus soll sie sicher sein», erwiderte Johan. Er verstummte, doch Seth wusste, dass sie beide dasselbe
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