Ein unmoralischer Handel
es nicht wissen!«
Er schaute ihr in die Augen: »Ich weiß es.«
»Wie?«
Einen Moment später schaute er weg. Dieses Mal blieb sein Blick an dem Jasmin hängen, der üppig über der Laube wucherte und mit seinen in der Brise nickenden Blüten die Rundbögen füllte. Er schnappte sich ein Zweiglein und brach es ab. Während er es ansah, drehte er es in seinen Händen hin und her, strich mit seinen schmalen Fingern liebkosend über die samtweichen Blüten. »Wie vielen Männern hast du gestattet, mit dir zu schlafen?«
Alathea erstarrte. »Du weißt ganz genau, dass …«
»Eben.« Den Blick weiterhin auf den Jasmin gerichtet, nickte er. »Nur mit mir. Du weißt nicht …«
Alathea wartete ab. Nach einer guten Weile holte er tief Luft und blickte sie an: »Ich weiß, dass du mich liebst - es liegt an der Art, wie du dich mir hingibst. Die Art, wie du bist, wenn du in meinen Armen liegst.«
»Ha!« Sie kämpfte den Drang nieder, ihn anzuschreien. »Da du der einzige Liebhaber bist, den ich bislang kennen gelernt habe …«
»Sag mir«, unterbrach er sie stahlhart, »kannst du dir vorstellen, mit irgendjemand anderem so zu sein wie mit mir?«
Sie starrte ihn an. Sie konnte nicht einmal anfangen, sich das auch nur auszumalen, die ganze Vorstellung war einfach absurd.
So absurd, dass ihr plötzlich klar wurde, dass sie den Faden verloren hatte.
»Du weichst meiner Frage aus.«
Es tat ihr weh, ihren Geist von dem Weg abzubringen, auf den er ihn gelenkt hatte, und sich stattdessen in Überlegungen zu ergehen, dass er sich noch viel mehr verpflichtet fühlen würde, sie - unabhängig von allen anderen Motiven - aus reiner Ritterlichkeit zu heiraten, wenn er von ihrer Liebe zu ihm wusste. Diese Erkenntnis erfüllte sie mit einer neuen Welle von Gefühlen, in denen sich Hoffnung und Enttäuschung die Waage hielten. Hoffnung, dass sich hinter seinem Selbstschutz ein ebenso verletzliches Herz verbarg wie hinter dem ihren; Enttäuschung, weil es ihr nicht gelang, ihn seinen Schild lang genug gesenkt zu halten, damit sie endlich Gewissheit bekam.
Am liebsten hätte sie die Fäuste geballt, die Augen geschlossen, mit dem Fuß aufgestampft und ihm befohlen, ihr die Wahrheit zu sagen. Stattdessen fixierte sie ihn und erklärte vorsichtig: »Ich werde dich nicht heiraten, bevor du mir nicht sagst, warum du mich heiraten willst, und deine Hand aufs Herz legst und mir schwörst, dass du mir alle deine Gründe genannt hast - bis auf den letzten.«
Alle, die in ihm nur das Paradebeispiel eines kultivierten Gentleman sahen, hätten ihn in dem schroffen, primitiven Krieger nie wiedererkannt, der sie jetzt anstarrte. Zum Glück war er ihr jedoch vertraut genug, um sich dadurch nicht erschüttern zu lassen.
»Warum?«
Die Luft flirrte förmlich um dieses Wort herum, so sehr war es mit unterdrückter Leidenschaft geladen - Wut, Enttäuschung und kaum kaschiertem Begehren.
Alathea blinzelte nicht einmal. »Weil ich es wissen muss.«
Er hielt ihren Blick so lange, dass ihr schon schwindelig wurde, dann riss er sich los und stand unvermittelt auf.
Er schaute in den Garten hinaus, dann wieder auf sie hinunter. Seine Miene war unbewegt. Mit einem Fingerschnippen warf er den Jasminzweig in ihren Schoß.
»Findest du nicht, dass wir schon genug Zeit verloren haben?«
Er schaute auf, ihre Blicke trafen sich, dann drehte er sich um und schritt die Stufen hinab.
Alathea blieb in der Laube sitzen und ging im Geist noch einmal ihren Wortwechsel durch; sie überlegte, ob es ihr gelingen würde, mehr zu erreichen, falls sich die Gelegenheit böte, irgendetwas anderes zu sagen oder zu tun.
Nach einer Stunde hob sie schließlich den Jasmin auf und atmete den schweren Duft ein. Sie betrachtete den Zweig, dann steckte sie ihn sich mit einer ironischen Grimasse ans Dekolleté.
Als Glücksbringer.
Sie hatte das Schicksal für ihre Geschwister herausgefordert und gewonnen. Sie hatte um ihre eigene Zukunft gewürfelt - hatte sie ihm wirklich gesagt, sie sei nicht aggressiv? Mit ihrem letzten Wurf hatte sie alles riskiert.
Sie würde es jederzeit wieder tun, ohne mit der Wimper zu zucken.
Mit einem Seufzer erhob sie sich und ging zum Haus hinüber.
19
S onntagabend. Gabriel schloss selbst die Tür auf. Als er in der Halle war, erschien Chance.
Gabriel reichte ihm Hut und Stock. »Ist Cognac im Salon?«
»Ja, Sir.«
Gabriel entließ ihn mit einer lässigen Handbewegung. »Ich brauche heute Abend nichts mehr.« Mit der Hand auf dem
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